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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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zwei Straßen weiter.
    Kaum hatte sie den Laden verlassen, als um sie herum die Passanten auch schon neugierig zu flüstern begannen und sich gegenseitig auf den Engel in ihrer Mitte aufmerksam machten. In diesem Teil der Stadt herrschte immer reges Treiben, aber niemand wagte sich zu nah an Elena heran. Aus gutem Grund: Seit ihr einmal ein Idiot zu sehr auf die Pelle hatte rücken wollen und sie ihm einen Bolzen aus ihrer Armbrust in den Stiefel gejagt hatte, bis der Kerl kreischte, als würde er abgestochen, eilte ihr ein gewisser Ruf voraus. Der aufdringliche Mensch hatte überlebt, und Elena durfte wieder ihren Geschäften nachgehen, ohne allzu sehr belästigt zu werden.
    So konnte sie sich jetzt auf ihr Telefonat mit Ransom konzentrieren – jeder anständige New Yorker schaffte es schließlich, mitten im dichtesten Verkehr auch beim Gehen ein Handy am Ohr zu haben. »Diese Prostituierte – rothaarig mit langen Beinen?« Sie schlug einen Bogen um einen Geschäftsmann, der sich zu sehr seinem Mini-Tablet widmete, hörte kurz darauf hinter sich ein Krachen, und als sie sich umdrehte, starrte ihr der Mann mit offenem Mund nach, sein teures Spielzeug lag als Scherbenhaufen auf dem Bürgersteig.
    »Tourist!«, schnaubte eine vorübereilende Geschäftsfrau mit blondem Pagenkopf verächtlich, die ihr Aktenköfferchen sowie den Plastikbecher Kaffee mühelos durch die Menge steuerte.
    Elena lächelte ihr zu – der schnippische Kommentar gefiel ihr – dann waren die beiden Frauen auch schon aneinander vorbeigegangen.
    »Warte«, sagte Ransom am anderen Ende der Leitung. »Ich lade mir hier gerade ein Foto hoch. Jawohl, das ist sie. Körbchengröße D, wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Hätte ich mir ja denken können, dass dir das auffällt.«
    »Wenn mir so was nicht mehr auffällt, bin ich tot. Ich hab da eine Info über eine Bar in der …«
    »Lass gut sein, ich kann dein Moped sehen.« Kaum hatte sie aufgehängt, da stand Ransom schon vor ihr. »Und? Wussten die Leute in der Bar irgendwas?«
    »Sie haben ihn vor drei Tagen dort gesehen, mehr war nicht.«
    Schweigend legten die beiden die kurze Strecke bis zum Haus zurück, in dem sich laut Saras Liste die Wohnung der Prostituierten befand, die Darrell manchmal besuchte. Dem Türsteher dort fielen beim Anblick der Waffen, die beide Jäger am Leib trugen, fast die Augen aus dem Kopf. Er wehrte sich nicht groß gegen ihre Fragen, sondern teilte ihnen ohne Ziererei mit, die gesuchte Frau habe ihre Wohnung seit mehr als achtundvierzig Stunden nicht mehr verlassen.
    »Und gestern Abend hat sich ihr Buchclub getroffen, das verpasst Honey sonst nie.«
    Elena sah Ransom an. In ihrem Magen machte sich Angst breit, zauberte einen sauren Geschmack auf ihre Zunge. Gut möglich, dass Honey Smith nie wieder ein Buch lesen würde. Gut möglich, dass die Frau tot, erschlagen, oben in ihrer Wohnung lag.
    Zu spät kommen – kaum etwas war Elena derart zuwider.

9
    Elena, die die Treppe zum Dach hinaufgestiegen war, ließ sich jetzt vom Dach herab, weil sie die Wohnung erst einmal von außen durch die Fenster anschauen wollte. Leider waren sämtliche Jalousien heruntergelassen. Also kehrte sie notgedrungen ins Haus zurück, wo Ransom ganz oben im schicken, aber nur schwach beleuchteten Korridor des Penthouse vor einer der Wohnungstüren wartete. Die war recht breit, Elena brauchte also nicht zu befürchten, im Fall einer Auseinandersetzung durch ihre Flügel behindert zu werden. Leise baute sie sich, ebenfalls mit gezückter Pistole, neben der Tür auf.
    »Kein Verwesungsgeruch.« Ransoms Flüstern war kaum zu hören.
    Auch Elena roch nichts, aber vielleicht war Darrell ja so schlau gewesen, die Temperatur in der Wohnung entsprechend einzustellen. »Klimaanlage?«, formte sie mit den Lippen. Ransoms Mund wurde zu einem schmalen Strich.
    »Fragen wir höflich oder gehen wir einfach rein?«, erkundigte sich Elena leise.
    »Wir gehen rein, sobald wir reinkönnen.« Ransom schob seine Waffe ins Halfter zurück. »Wir können nicht riskieren, dass er ihr eine Knarre an den Kopf hält. Wenn sie nicht schon tot ist und er drinnen bei ihr wartet.«
    Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich ganz dicht an die Wand zu stellen, damit man sie nicht sah, wenn die Tür aufging, setzte seine Sonnenbrille auf und donnerte mit der Faust laut gegen das matt schimmernde Holz der Wohnungstür. Sollte Honey noch am Leben sein, würde sie sich jetzt bestimmt Sorgen um die Reaktion ihrer Nachbarn

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