Engelslied
machen. »Hey, Süße!«, schrie Ransom. »Mach auf! Wir sind verabredet, ich habe im Voraus bezahlt!«
Elena meinte es drinnen rascheln zu hören. Sie funkelte Ransom genervt an, der sollte gefälligst beiseitetreten, falls Darrell durch die Tür schoss. Als Ransom nicht reagierte, knirschte sie verärgert mit den Zähnen. Jetzt musste sie sich darauf einstellen, ihn beiseitezuschubsen, sobald sich irgendetwas da drinnen nach Waffe anhörte.
Aber erst einmal wurde die Tür aufgeschlossen und vorsichtig geöffnet, allerdings gerade einmal so weit, wie es die Sicherheitskette erlaubte. »Halt die Klappe, du besoffener Trottel!«, zischte eine eindeutig aufgebrachte Frau. »Du grölst hier vor der falschen Wohnung!«
»Bist du Honey Smith? Ich habe über deine Webseite einen Termin mit dir ausgemacht.«
»Ich nehme gar keine neuen Buchungen mehr an! Da hast du wohl was verwechselt.«
»Von wegen! Ich habe hier eine verdammte Buchungsbestätigung mit Nummer!«
»Dann zeig die mal her.«
»Gerne.« Ransom vergrub die Rechte in seiner Jackentasche, und als er sie wieder herauszog, lag irgendein Metallwerkzeug darin und die Sicherheitskette war Geschichte.
Die Rothaarige kreischte, als die beiden Jäger mit gezückter Waffe in ihre Wohnung eindrangen – wo sie sich unversehens vor dem falschen Ende einer Glock Halbautomatik in der Hand eines großen, schlanken Mannes mit Dreitagebart wiederfanden, dem die weite Jeans gefährlich tief auf der Hüfte saß. »Honey!«, bellte der Mann, und schon war die in einen schwarzen Satinmorgenmantel gekleidete Frau hinter ihm verschwunden.
Ransom ließ als Erster die Pistole sinken. »Scheiße, Mann! Wir dachten, du hättest komplett den Verstand verloren!« Darrell senkte seine Waffe erst, als Elena die ihre sicher im Halfter verstaut hatte.
»Die Gilde wird für entstandenen Schaden aufkommen«, versicherte sie Honey, um der Situation etwas an Spannung zu nehmen.
Hübsche, nussbraune Augen in einem Botticelligesicht richteten sich entnervt zur Decke. »Ich schick die Rechnung. Kommt rein und macht die Tür hinter euch zu, sonst schmeißen sie mich hier noch aus der Wohnung. Ich mache uns jetzt einen Kaffee.«
»Ellie hat das mit deinen Waffenkäufen rausgefunden«, erklärte Ransom, kaum war die Rothaarige den Flur hinunter entschwunden. »Wir hatten Angst, du würdest demnächst Amok laufen.«
»Ich hab dran gedacht.« Das kam völlig ausdruckslos. Darrells Gesicht war um einige Schattierungen heller als das seiner Großmutter, die Augen dunkelgrau. »Aber als ich dann anfing, mir konkret zu überlegen, wo ein Scharfschütze am besten Stellung beziehen könnte, habe ich bis auf die hier alle meine Schusswaffen in einem Schließfach verstaut und die Kombination geändert, ohne hinzuschauen. Den Safe bekommt man nur noch mit dem Schneidbrenner auf. Dann bin ich hierhergekommen.«
»Egal, wie du drauf bist, egal, welche Entschuldigungen du in petto hast: Du hättest bei der Gilde Bescheid sagen müssen. Und bei deiner Großmutter.« Elena gab sich bewusst knallhart, sie wusste, Darrell brauchte das jetzt.
Ihr letzter Satz schien ihn aufzurütteln, jedenfalls lag ein gequälter Ausdruck in den grauen Augen. »Ich konnte mich nicht bei meiner Großmutter melden. Sie hätte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt, und sie ist doch so krank. Sie sollte sich keine Sorgen machen.«
Elena warf ihm ihr Handy zu, sie konnte Ms Flahertys zitternde Hände nicht vergessen. »Dann ruf jetzt an.«
Als er seinen Anruf beendet hatte, lag im Flur der Duft frisch aufgebrühten Kaffees und Honey hatte sich wieder zu den Jägern gesellt. »Was steht an?«, erkundigte sie sich. »Wollt ihr reinkommen und euch halbwegs gesittet benehmen, oder wollt ihr weiter hier rumstehen und einen auf knallhart machen?«
Elena grinste. Die Rothaarige wurde ihr langsam sympathisch. Ransom verschränkte die Arme vor der Brust und reckte das Kinn vor. »Ich mach gern einen auf knallhart.«
»Außer bei deinen Haaren, was?« Darrell hatte ein vergnügtes Glitzern in den Augen.
Ransom zeigte ihm den Stinkefinger, und plötzlich war von Anspannung nichts mehr zu spüren.
Eine halbe Stunde und einen Becher Kaffee später stellte sich Darrell der Gilde, bereit, eine psychologische Beurteilung über sich ergehen zu lassen und diesmal auch wirklich mit dem Berater zusammenzuarbeiten. Ein recht kleiner Sieg für die Guten, aber trotzdem ein Sieg, fand Elena. Jetzt musste sie nach Hause fliegen und Raphael
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