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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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grauenhaften Anblick. »Und einen glühenden Feuerball in ihrer Brust zurückgelassen. Ein direkter Kontakt also.« Nur Sorrow hatte einen solchen direkten Kontakt mit dem wahnsinnigen Erzengel überlebt, wobei die Begegnung sie unleugbar tiefgreifend verändert hatte.
    Die junge Frau war kein Mensch mehr, aber auch kein Vampir geworden, sie würde ohne Blut ebenso wenig existieren können wie ohne menschliche Nahrung. Und dann war da die Sache mit dem Möchtegern-Meuchelmörder, der doppelt so groß gewesen war wie sie und dem sie in einem Anfall geistiger Umnachtung das Genick gebrochen hatte, als er sie angriff. Sie übte jetzt, ihre Stärke und Geschwindigkeit bewusst zu kontrollieren und hielt ständig Ausschau nach Anzeichen für den mörderischen Wahnsinn, der ihren »Blut-Sire« befallen hatte. »Blut-Sire« nannte sie Uram, seitdem sie einmal gehört hatte, wie Dmitri diesen Begriff benutzte.
    Elena war immer noch zornig darüber, dass die junge Frau Uram nicht hatte entkommen können, aber im Moment ging es nicht um Sorrow. »Was, wenn Michaela sich weigert, zu gehen?«
    »Dann zwinge ich sie dazu.«
    Da waren sie wieder, die Schuldgefühle, streckten ihre knochigen Finger nach Elena aus. Und wenn Michaela nun in der Kaskade eine offensive Kraft dazugewonnen hatte? Dann befand sich Raphael ihr gegenüber im Nachteil, dann war der Kampf kein Kampf zwischen Gleichen mehr.
    »Ich würde mir gern die Nacht vom Leib waschen, Elena.« Raphael wandte sich seinem Haus zu.
    Schweigend ging sie neben ihm her. Egal, wie wütend sie vorher auf ihn gewesen war, dies wurde jetzt von ganz anderen Sorgen überlagert. Was, wenn sie ihn mit ihrem Verhalten Michaela gegenüber eben faktisch umgebracht hatte?
    Raphael schloss die Schlafzimmertür hinter ihnen beiden, durchquerte den Raum, um die Balkontüren zu öffnen, und ließ die kalte Morgenluft ein. »Komm her, Gildejägerin.«
    »Was ist?«
    »Ich wüsste gern, warum meine Gemahlin Geheimnisse hat, die sie dazu bringen, sich selbst zu kasteien.« Raphaels Worte kamen wie geschliffene Klingen dahergeflogen.
    Elena zuckte zusammen, trat aber tapfer neben ihn an die Kante des Balkons. »Ich bin wütend auf dich wegen der Sache, die mit Ransom passiert ist.«
    »Du bist vielleicht wütend, aber meine Entscheidung verstehst du trotzdem.« Genauso barsch und unverblümt wie jetzt mit ihr war er vorhin auch mit Cici umgegangen. »Da gibt es nichts, was du mir verschweigst. Was ist es dann?«
    »Nichts.«
    »Jetzt lügst du mich auch noch an?« Kalte Worte, tödlich, jedes einzelne so hell und geschliffen wie Schwertstahl.
    Sie wandte sich um, funkelte ihn mit geballten Fäusten an. »Hör auf, mich einschüchtern zu wollen! Ich bin deine Gemahlin.«
    »Dich kann meiner Meinung nach überhaupt niemand einschüchtern.« Auch diese Antwort klang eisig brutal, aber in Raphaels Augen züngelten blaue Flammen. »Was verbirgst du vor mir, Elena?«
    Er war unnachgiebig. Gewohnt, auf seine Fragen auch Antworten zu bekommen. Elena wusste, Raphael würde die Sache nicht auf sich beruhen lassen, aber die Vorstellung, ihm die Wahrheit zu sagen, lag ihr wie ein Stein im Magen. »Lass es gut sein«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich bitte dich, lass es einfach gut sein.«
    »Wenn es dir Schatten unter die Augen malt und dich dazu bringt, an deinen eigenen Worten zu ersticken?« Raphael packte ihr Kinn. »Nein! Irgendetwas quält dich, und ich will wissen, was.«
    »Aber ich habe es nicht getan, und nachdem andere von meinem Verstoß erfahren hatten, konnte er mir nicht mehr helfen.«
    Illiums Worte prasselten wie kaltes Wasser auf den Selbstschutz, den sie um sich errichtet hatte. Nein, sie durfte Raphael nicht antun, was der Freund ihm angetan hatte, durfte ihn nicht hilflos mit ansehen lassen, wie sie litt. Bebend holte sie Luft, legte die zur Faust geballte Rechte auf seine Brust. Zeit, mit dem Versteckspiel aufzuhören. Zeit, sich dem Schaden zu stellen, den sie angerichtet hatte.
    Raphael hatte gerade noch schärfer werden wollen, hatte drohen wollen, keiner von ihnen würde den Balkon verlassen, ehe sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber der leichte Druck ihrer Faust an seiner Brust ließ ihn schweigen.
    »In der Zufluchtsstätte«, setzte sie an, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte, »habe ich sagen hören, du seist der stärkste, der mächtigste Jüngling gewesen, den irgendwer je zu Gesicht bekommen hätte.« Elenas Stimme war nur noch Gefühl, ihr

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