Engelslied
können, hätte sie es wirklich gewollt. Im Training, erst als Jägerin, dann unter Galen, hatte sie mehr als nur einen schmutzigen Trick gelernt. Aber sie wollte sich gar nicht befreien, sie wollte mit Raphael kämpfen. Also biss sie ihn in die Unterlippe, und als sein Kuss daraufhin noch leidenschaftlicher wurde, sich seine Arme um sie schlangen, als wären Muskeln und Sehnen aus Stahl, als seine Zunge in ihrem Mund tanzte, musste sie sich erst einmal gegen die instinktive Reaktion ihres Körpers wehren, die den intimen Bereich zwischen ihren Schenkeln feucht werden ließ.
Sie entzog ihm ihren Kopf, um nach unten zu sehen. Er war mit ihr bis hoch, hoch über Manhattan geflogen, auf eine Höhe, die sie aus eigener Kraft nie erreicht hätte. Erschrocken riss sie die Augen auf. »Nein!« Sie funkelte Raphael empört an. »Ich habe doch gesagt, ich tanze nicht über …« Die Worte endeten in einem Schrei, als er sie beide mit den Köpfen nach unten drehte – und die Flügel zusammenlegte.
»Raphael!« Einer Kugel gleich schossen sie aus dem Himmel, der Wind hallte wie ein einziger, lauter Schrei in ihren Ohren. »Wenn wir das überleben, bringe ich dich um!«
Lachend – dunkel, gefährlich, sexy – entfaltete er die Flügel wieder, steuerte sie durch die schmale Lücke zwischen zwei Wolkenkratzern hindurch. So früh am Morgen war der Himmel fast leer – fast. »Jetzt sofort nach Hause!«, befahl Elena, aber er hörte nicht auf sie, nahm sie noch einmal mit, ganz hoch in den Himmel, während sich sein Körper an sie schmiegte, bis ihre Brüste anschwollen und ihr ganzer Leib sich in eine einzige erogene Zone verwandelte.
Sie bleckte die Zähne, packte ihn bei den Haaren, und zwang ihn, sie anzusehen. »Sofort nach Hause, oder wir haben nie, nie, nie wieder Sex!«
Ein arrogantes Lächeln, während er sie anhob, bis sein steifes Glied gegen die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen drückte und die Kleider zwischen ihnen in der glühenden Hitze kaum mehr zu existieren schienen. »Könntest du mir widerstehen?«
»Das wirst du dann schon sehen.« Immer weiter schossen sie durch die Wolken, immer höher hinauf. Elena kniff die Augen zusammen. Höher, und noch höher, und dann … »Verdammt!« Die Haare flossen ihr den Rücken hinab, als sie erneut kopfüber auf die rasend schnell näher kommenden Wolkenkratzer starrte – und spürte, wie endlich der Adrenalinjunkie in ihr das Steuer übernahm, sie Gefallen an diesem gefährlichen Vergnügen fand.
Prompt verlangte sie nach einem weiteren Kuss, den Raphael ihr postwendend gab, hart und heiß – aber leider viel zu kurz. »Halt dich fest!«
Bislang hatte Elena geglaubt, zu wissen, wie ihr Erzengel flog, sie hatte ihn oft genug beobachtet. Aber anscheinend hatte sie lange noch nicht alles zu sehen bekommen.
Er flog an der Seite eines Wolkenkratzers hinunter, er ließ sie beide seitwärts in eine Spirale kippen, bei der Elena die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht vor Entzücken laut zu schreien. Und als es gerade so aussah, als würden sie endgültig den Bürgersteig küssen, breitete er die Flügel aus und schwang sich wieder nach oben, durch eine so enge Lücke, dass seine Flügel an beiden Seiten die Gebäudemauern streiften – wobei die Frühaufsteher hinter diesen Wänden nicht ahnen konnten, dass draußen der Erzengel von New York seiner Gemahlin gerade zu einem höllisch guten Ritt verhalf.
Aber das war immer noch nichts im Vergleich zu den Spiralen, die er teuflisch schnell um den Turm zog – Elena befürchtete mehrmals, gleich durch das Glas zu krachen –, um sich prompt wieder mit Schwung und unglaublicher Geschwindigkeit in die Höhe zu schrauben. »Raphael! Ein Flugzeug!« Sie befanden sich auf direktem Kollisionskurs mit einer Pendlermaschine.
Raphaels Lächeln war vielversprechend. Blitzschnell schoss er an der Nase des Jets vorbei – nur Zentimeter trennten die beiden von dem Metall – und ließ Elena über einem der Flugzeugflügel herab, bis ihre Füße den dünnen Feuchtigkeitsfilm dort berührten. »Vorsicht, rutschig.«
Eine Sekunde lang schwankte sie, dann hatten ihre Stiefel festen Halt gefunden. »Alles klar.«
Raphael ließ sie los und flog zum anderen Flügel, wo er nun seinerseits Position bezog, um das Flugzeug nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Jungen machen das manchmal – es nennt sich Jetsurfen.
Elena hatte die Arme ausgestreckt, um in dem tosenden Wind, der mit ihren Flügeln spielte, nicht die Balance zu
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