Engelslieder
noch mehr Qualen erlitt. Beim nächsten Schlag hielt er inne, wobei sein Arm vor Anstrengung zitterte. Dann stand er auf und ließ Eli Beecher bewusstlos auf den groben Holzdielen liegen.
Molly starrte ihn mit großen Augen unsicher an. Sie trug das Kleid, das Autumn beschrieben hatte, das lange, bestickte Baumwollkleid, das sie in ihren Träumen gesehen hatte.
“Bist du … bist du wirklich mein Vater?” Sie zitterte, doch irgendetwas lag in ihrem Blick. Bens Herz zog sich zusammen, als er einen Hoffnungsschimmer erkannte.
Ihm steckte ein Kloß in der Kehle. “Ja, meine Süße, das bin ich. Ich habe so lange nach dir gesucht. Ich liebe dich über alles.” Er ging auf sie zu, blieb jedoch stehen, als er sah, wie sie sich hinter Autumn versteckte. “Du brauchst keine Angst zu haben, mein Engel. Ich könnte dir niemals wehtun. Und Eli wird dir auch nie wieder wehtun. Du bist jetzt in Sicherheit, das verspreche ich dir.”
So wie es die ganze Zeit hätte sein sollen.
Er schob das Schuldgefühl beiseite. Damit hatte er sich schon die ganzen letzten sechs Jahre herumgeschlagen. Jetzt war es an der Zeit, nach vorn zu schauen.
Molly erwiderte seinen Blick, und es war, als könnte er in sie hineinsehen, so wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen war.
“Eli hat gesagt, mein Vater und meine Mutter wollten mich nicht. Und Rachael sagte, sie seien tot.”
“Sie wollten, dass du das glaubst. Aber die Wahrheit ist, dass wir dich nicht finden konnten.” Er blinzelte, kämpfte mit dem Schmerz und bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten.
Ihr sanfter Blick ruhte weiterhin auf seinem Gesicht. Ihre Augen waren genauso blau, wie er sie in Erinnerung hatte. “Es gab einmal einen Mann … der hat mich ‘Engel’ genannt. Wir haben zusammen Teekränzchen gespielt, und er hat mich auf den Schultern getragen. Rachael hat gesagt, ich sollte das vergessen, aber das konnte ich nicht.”
Ben versuchte, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken. “Ich bin froh, dass du es nicht vergessen hast. Du warst immer mein Engel. Und du wirst es für immer sein.”
Mollys Blick wanderte zu Autumn. “Ich habe das Gefühl, dich zu kennen. Bist du meine Mutter?”
Autumn lächelte und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. “Ich heiße Autumn. Ich bin eine Freundin, jemand, den du im Traum getroffen hast. Deine Mutter weiß nicht, dass wir dich gefunden haben. Aber sie wird überglücklich sein, wenn du wieder zu Hause bist. Du hast auch eine Schwester, sie heißt Katie. Du wirst sie bestimmt sehr lieb haben, und ich weiß genau, dass sie dich auch lieb haben wird.” Sie wischte sich noch eine Träne weg, doch es war zwecklos, so viele liefen ihr über die Wangen.
Bens Herz zog sich zusammen. Er sah Autumn an, und ihm wurde einmal mehr bewusst, wie sehr er sie liebte, dass er – egal, wie lange er lebte – ihr niemals würde zurückgeben können, was sie ihm geschenkt hatte, indem sie ihm sein kleines Mädchen zurückgebracht hatte.
Molly sah zu ihm hoch. “Ich muss nicht mehr bei Eli leben? Und ich muss ihn auch nicht heiraten?”
“Nein, mein Schatz”, presste Ben hervor. Seine Stimme klang rau. “Von jetzt an brauchst du einfach nur ein kleines Mädchen zu sein – mein kleines Mädchen. So wie vorher.”
Molly ging auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. Zaghaft streckte sie die Hand aus und berührte seine Wange. Ben schloss die Augen, rührte sich jedoch nicht. Sein Herz klopfte wild, hämmerte in seiner Brust, sagte ihm, er solle sie in den Arm nehmen. Dennoch blieb er, wo er war, aus Sorge, er könnte ihr Angst machen – und er war fest entschlossen, das zu verhindern. Sie sollte sich nie wieder fürchten. “Ich liebe dich, Molly. Ich liebe dich über alles.”
Sie sah ihm unverwandt ins Gesicht. Er kannte ihre Augen genauso gut wie die beiden, die er jeden Tag im Spiegel sah.
“Ich habe zu Gott gebetet, er möge jemanden schicken, der mich rettet”, sagte sie. “Diesmal hat er mein Gebet erhört.”
Er versuchte, nicht darüber zu grübeln, wie oft sie wohl gebetet hatte, nach Hause gehen zu können – und niemals war irgendwer gekommen, um sie zu holen.
“Was … was ist mit Eli?”, fragte sie und schaute zu ihm herunter.
Ben biss die Zähne aufeinander. Er zwang sich, nicht über den Schmerz nachzudenken, den er in ihren Augen gesehen hatte, und sagte stattdessen zu Autumn: “Wir müssen ihn fesseln. Am Morgen steigen wir den Berg hinunter. In der Zwischenzeit
Weitere Kostenlose Bücher