Engelslieder
die Aufregung danach mit der Polizei und so. Und daran, wie traurig sie war.”
Ben versprach, vorsichtig zu sein.
Obwohl das Mädchen inzwischen sechs Jahre älter war, erkannte Autumn in ihm sogleich eines der Kinder aus ihrem Traum. Dunkle Haare, braune Augen und ein Grübchen auf der Wange. Leider erinnerte Emily sich nicht an mehr, als sie zur Zeit der Entführung der Polizei gesagt hatte.
“Es tut mir leid, Mr. McKenzie”, sagte sie. “Ich war noch so schrecklich klein. Ich wünschte, ich hätte besser aufgepasst.”
“So geht es uns allen, Emmie.”
Das andere Mädchen, Megan Turner, fing zu weinen an, als Ben sie fragte, ob sie sich noch an Molly erinnere.
“Ich erinnere mich an sie”, sagte sie schluchzend und wischte sich über die feuchten Wangen. “Wir waren beste Freundinnen. Ich habe sie niemals vergessen und werde es auch nie.”
Ben schluckte. “Ich werde sie auch nie vergessen”, flüsterte er. “Sie ist direkt hier, in meinem Herzen.” Er legte eine Hand auf sein Herz, und Autumn schnürte es die Kehle zu.
Megan legte die Arme um Bens Hals, und Ben erwiderte die Umarmung so liebevoll, dass Autumn wegsehen musste.
Megan ließ ihn los. Sie war groß für ihr Alter. Das hellbraune Haar, das sich in den Spitzen lockte, trug sie schulterlang. “Warum stellen Sie mir nach dieser langen Zeit Fragen zu Molly?”
Da Ben vergebens nach den richtigen Worten suchte, antwortete Autumn für ihn. “Wir versuchen nur, ein paar offene Fragen zu klären, und dachten, du könntest uns vielleicht dabei helfen.”
“Ich wünschte, ich könnte es. Aber die einzige Erinnerung, die ich an jenen Tag habe, ist ein weißes Auto, das am Ende des Blocks mit Molly um die Ecke biegt. Dann brach wildes Geschrei los.”
Laut Zeitungsberichten war das Auto so ziemlich das Einzige, was die Kinder gesehen hatten. Ihre Beschreibungen des Mannes, der Molly mitgenommen hatte, gingen so weit auseinander, dass sie sich als vollkommen nutzlos herausstellten.
Gerald Meeks fuhr zum Zeitpunkt seiner Verhaftung einen weißen Toyota.
In den anderen Mordfällen gab es eine Vielzahl von Beweisen gegen ihn, und natürlich lag sein Geständnis vor. Und obwohl in seinem Auto weder Blutspuren noch fremde DNA gefunden wurden, bot das zum Zeitpunkt der Entführung gesichtete weiße Auto weiteren Anlass zu der Annahme, Meeks habe die kleine Molly ermordet.
Nachdem sie sich von Megan verabschiedet hatten, sah Ben so erschöpft und verbittert aus, dass Autumn vorschlug, das Gespräch mit Robbie Hines, dem letzten Kind, auf einen anderen Tag zu verschieben.
“Jetzt sind wir schon mal hier”, lehnte Ben ab, “also lass es uns auch durchziehen.”
Sie parkten den Wagen vor Robbies Haus und fanden die Garage offen vor. Darin stand ein unbereiftes altes Auto aus den 1950ern mit offener Motorhaube auf vier Klötzen. Ein rothaariger Junge beugte sich über den Motor. In der Hintertasche seiner Baggy Pants steckte ein schmieriger Lappen.
Als sie näher kamen und er sich umdrehte, erblickte Autumn eine ältere Ausgabe des Jungen aus ihrem Traum.
“Mr. McKenzie …”, sagte Robbie. “Schön, Sie zu sehen.”
“Hi, Robbie.”
Robbie sah etwas älter aus als die Mädchen … vielleicht dreizehn, hatte kurz geschnittenes, an den Seiten hochgekämmtes rotes Haar, und sein Gesicht war von Sommersprossen übersät.
“Hallo, Robbie.” Sie lächelte ihn an. “Ich heiße Autumn Sommers. Ich bin eine Freundin von Ben. Wir würden dir gern ein paar Fragen zu Molly stellen.”
“Das ist schon so lange her”, erwiderte Robbie. Anscheinend hatte er genauso wenig Lust, in der Vergangenheit herumzustochern wie Ben.
“Wir möchten nur wissen, ob an dem Tag irgendetwas passiert ist, woran du dich erst in den letzten Jahren erinnert hast.”
Robbie wirkte beunruhigt. “Sie haben den Typen doch erwischt, oder? Und ins Gefängnis gesteckt.”
“Ja, er sitzt im Gefängnis”, antwortete Ben. “Wir wollen nur ein paar offene Fragen klären.”
“Er kommt doch nicht etwa auf Bewährung frei oder so?”
Ben warf Autumn einen kurzen Blick zu. “Meeks hat nie zugegeben, sie getötet zu haben, Robbie. Wir möchten nur wissen, ob wir vielleicht etwas übersehen haben … irgendetwas.”
Robbie zog den Lappen aus der Hosentasche und wischte sich die schmierigen Hände ab. “Wissen Sie, da ist tatsächlich etwas … Ich meine, mit sieben hatte ich noch keine Ahnung von Autos, aber jetzt … na ja, Oldtimer sind mein Hobby. Genau wie
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