Engelslieder
irgendwie dachte ich, du wärst etwas umweltbewusster.”
Er warf ihr einen Blick zu. “Was fährst du denn?”
“Einen Ford Escape Hybrid. Verbraucht 7,7 Liter auf 100 Kilometer.”
Er streichelte über das Autodach. “Diese Schönheit ist ein E-320 CDI. Er erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.” Er grinste. “Der Verbrauch liegt bei 7,6 Litern auf 100 Kilometer, manchmal auch weniger. Lass uns fahren.”
Autumn hielt ein Lächeln zurück. Sie fand, ein Mann in Bens Berufsfeld sollte umweltbewusst sein, und aus irgendeinem albernen Grund freute sie sich maßlos, dass es auf ihn zutraf. Er hielt ihr die Tür auf, während sie auf den dunkelgrauen Ledersitz glitt, ging dann um das Auto herum und stieg ein.
Sie verließen Seattle und fuhren auf die ostwärts führende Interstate 90 in Richtung Berge. Autumn erkundigte sich nach seinem Sonntagsausflug mit Katie.
Er lächelte. “Wir hatten einen wunderschönen Tag auf dem Wasser.”
“Was für ein Boot hast du?”
“Einen zwölf Meter langen Raptor, ein australisches Fabrikat. Zugegeben – es schluckt eine Menge Diesel, aber nicht so viel wie andere, und es ist eins der sichersten Boote auf dem Markt. Außerdem benutze ich es nicht so oft.”
Vom Thema Boote kamen sie aufs Kajakfahren, Bens Lieblingssport. Doch je weiter sie sich seinem ehemaligen Wohnort Issaquah näherten, desto mehr geriet die Unterhaltung ins Stocken und umso ernster wurde sein Gesichtsausdruck.
“Du hast hier draußen eine Filiale, richtig?”, fragte Autumn, um die Stimmung aufzulockern. “Ich glaube, ich bin schon mal daran vorbeigefahren.”
Sie hatten den Freeway verlassen und bahnten sich nun ihren Weg durch das Stadtzentrum. Autumn hatte gelesen, dass der Laden ursprünglich Gilman geheißen und sich während des Kohleminenbooms hier angesiedelt hatte.
“Das Geschäft ist gleich da oben auf der linken Seite”, sagte Ben.
Über der Tür eines zweigeschossigen Backsteingebäudes mit dunkelgrünen Markisen über den Fenstern entdeckte Autumn das Schild McKENZIE SPORTING GOODS.
Ben zeigte auf das unbebaute Grundstück gegenüber. “Diesen Baugrund haben wir gerade gekauft.”
“Du expandierst?”
Er schüttelte den Kopf. “Ich versuche nur, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu bleiben.” Während sie den Weg durch die Stadt fortsetzten, erzählte er ihr von der Situation mit A-1-Sports und wie der Billigkonkurrent versuchte, ihn zum Verkauf seiner gesamten Warenhauskette zu zwingen.
“Sie wissen noch nichts von dem Kauf”, sagte er. “Kurt Fisher wird ziemlich sauer sein.” Er berichtete, wie heftig ihn der Strategieabteilungsleiter von A-1 zum Verkauf gedrängt hatte.
Als Ben zu Ende erzählt hatte, fuhren sie vor einem für diese Gegend typischen großen grauen Haus mit einer Fassade aus Naturstein und Putz vor, doch es war das beigefarbene Haus mit der extravaganten Klinkerverkleidung drei Türen weiter, das Autumn sofort wiedererkannte.
“Das ist nicht dein Haus. Es ist das da vorne. Ich habe es in meinem Traum gesehen.”
Ben sah ihr fest in die Augen. “Bist du sicher?”
“Absolut.” Er hatte absichtlich vor dem falschen Haus gehalten, um sie zu testen.
“Ich muss sichergehen, Autumn. Oder zumindest so sicher wie möglich.”
“Ist schon gut.” Sie schaute sich um. “Was ist mit deiner Frau? Wenn wir mit den Nachbarn sprechen, wird sie zwangsläufig davon erfahren.”
“Sechs Monate nach Mollys Entführung sind wir von hier weggezogen. Wir wollten beide nicht mehr hier leben. Die Erinnerungen waren einfach zu schmerzhaft.”
“Ich glaube, ich wäre auch nicht geblieben.”
“Joanne und Katie leben immer noch in dem Haus, in das wir damals gezogen sind. Auch hier in Issaquah, allerdings in einer noch besseren Wohngegend. Leider scheiterte unsere Ehe quasi unmittelbar nach dem Umzug. Wir gaben uns gegenseitig die Schuld für Mollys Schicksal, obwohl ich tief im Innern nicht glaube, dass einer von uns den anderen tatsächlich für schuldig hielt. Es war nur eines dieser tragischen Ereignisse, die einfach geschehen. Ich hoffte, wenn wir von vorne begännen, würde vielleicht alles gut werden. Es lag vor allem an mir, dass es nicht klappte.”
“Was meinst du damit?”
“Ich begann, immer länger zu arbeiten. Ich wollte einfach nicht zu Hause sein. Vielleicht hätte ich mich intensiver bemühen müssen, aber ich glaube, die Wahrheit ist, dass unsere Ehe nicht stark genug war. Wenn es die Mädchen nicht gegeben hätte
Weitere Kostenlose Bücher