Engelslust
er nicht gut genug auf sie aufgepasst hatte? Der Elfenkönig würde vor Kummer sterben!
Wenige Sekunden später schwebte Cain über der Stelle, wo der Satellit Rajas Signal zuletzt geortet hatte. Zum Glück war die See einigermaßen ruhig, sodass Cain es sah: feine Bläschen, die an die Oberfläche stiegen. Er materialisierte sich etwa zwei Meter über dem Meeresspiegel, holte tief Luft und ließ sich kerzengerade fallen.
Sofort umschloss ihn die Stille des Wassers, ein Druck legte sich auf seine Ohren, der zunahm, je tiefer er tauchte. Panik erfasste ihn, weil er befürchtete, dass er sie nie finden würde. Raja, wo bist du! , schrie er in Gedanken, als könnte er sie damit herbeirufen. Immer weiter hinab sank er in die eiskalte Düsternis; seine mit Wasser vollgesaugte Hose und die schweren Einsatzstiefel zogen ihn regelrecht nach unten. Und da sah er es: ein Glitzern zu seiner Rechten. Es waren Rajas silberne Haarsträhnen, die das letzte bisschen Sonnenlicht reflektierten, das bis in diese Tiefen vorgedrungen war. Mit kräftigen Zügen durchpflügte Cain das eisige Nass und war im Nu bei ihr. Sie reagierte nicht, hatte die Augen geschlossen, sah aus wie in seiner Vision, als sie den Kampf aufgegeben hatte. War er zu spät gekommen, hatte er auf der Insel zu lange gezögert?
Bitte nicht …
Er zog ihren schlaffen Körper an sich und schoss geradewegs an die Oberfläche. Als er den Wasserspiegel durchbrach, flog er mit Raja in den Armen auf Corvo zu, wobei er am Hals ihren Puls fühlte. Schwach klopfte er gegen seine Fingerspitzen. Sie lebte!
Cain brauchte nur Sekunden für die weite Strecke, obwohl er sich diesmal nicht dematerialisiert hatte, doch im Moment war es ihm gleichgültig, sollte ihn jemand sehen. Auf dem grünen Vulkanhügel im Norden der portugiesischen Insel, fernab der Zivilisation, legte er Raja in das weiche Gras und strich ihr die nassen Haare aus dem Gesicht.
»Raja!« Mehrmals tätschelte er ihre blasse Wange, aber er erhielt kein Lebenszeichen. Außerdem atmete sie nicht. »Verdammt, Mädchen!« Ohne zu zögern, überstreckte er ihren Hals, hielt ihr die Nase zu und presste seine Lippen auf ihren Mund, der sich kalt wie der Tod anfühlte. Vorsichtig pumpte er seinen Atem in Rajas Lungen. Einmal, zweimal, bis …
Hustend spuckte sie Salzwasser aus. Sofort drehte Cain sie auf die Seite, überglücklich, dass sie lebte, aber plötzlich schlug sie wie wild um sich und schrie seinen Namen. »Cain!«
»Ich bin hier. Du bist in Sicherheit!« Fest schloss er sie in die Arme.
Raja zitterte, hustete und weinte an seine nackte Brust. »Ich dachte, ich würde sterben.« Sie konnte sich kaum bewegen, denn ihr mit Wasser vollgesogener Lederkombi spannte, sodass sie schlecht Luft bekam.
»Ich hab doch gesagt, dass ich das nie zulassen würde«, murmelte Cain, dann erklärte er hastig: »Ich habe deinem Vater ein Versprechen gegeben.«
Raja sah ihn einfach nur schwer atmend an. Keine Mimik verriet, was in ihr vorging. Cain hörte ein leises Röcheln und vertraute auf Rajas dämonische Selbstheilung. Ihr schien es auch schon besser zu gehen.
»Du musst aus dem Ding raus.« Er ließ einen Energiestrahl in seiner Hand erscheinen, mit dem er ihr vorsichtig das enge Leder von der Haut schnitt, bis sie nur in ihrer sexy Unterwäsche vor ihm lag. Raja zitterte immer noch, ihr Körper fühlte sich eiskalt an.
»Frierst du?«
»Nur ein wenig«, gab sie zu. »Aber ich bin nicht so temperaturempfindlich wie ein Mensch.«
Wieder etwas, das sie gemeinsam hatten. Cain hatte die Kälte der See allerdings überhaupt nichts ausgemacht.
Auf einmal packte sie ihn am Arm. »Der Kelch?!«
»Weg«, erwiderte Cain nur und warf die Lederstücke zur Seite. »Du kannst nicht schwimmen?«
»Ich hatte nicht allzu viel Gelegenheit, das zu lernen«, murmelte sie, als sie sich aufsetzte. Cain half ihr und stützte sie. Seine eigene Hose klebte unangenehm am Körper.
»Wie konnte es dir überhaupt passieren, im Meer zu landen? Ich dachte, ihr Dämonen könnt nur auf festen Untergründen ein Portal erzeugen.«
Raja zog die Beine an und legte dann ihre Arme darum. Plötzlich sah sie unwahrscheinlich verletzlich aus und Cain überfiel das dringende Bedürfnis, sie zu beschützen. Sie wirklich zu beschützen, nicht nur, weil man es von ihm verlangte. Er setzte sich dicht neben sie, und erst jetzt bemerkte er, dass sie sich auf dem Kraterrand befanden. Beide blickten sie hinab in den ehemaligen Schlot des Vulkans, in dem
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