Engelslust
begriff, dass sie ihn schon wieder auf den Arm nahm. »Du bist unmöglich! Mein Name ist nicht albern . Cain war auch mein Menschenname und er schien gepasst zu haben.«
»Er passt auch zu dir.« Raja seufzte und kuschelte sich eng an ihn. »Stell dir vor, du würdest Ernie oder Bert heißen.«
»Wie?« Cain konnte ihr nicht folgen, doch Raja lächelte ihn verschmitzt an und erwiderte nur: »Sonnenschein, du musst wohl noch viel aufholen. Wir sollten unbedingt mal ins Kino gehen.« Sie schmiegte sich an seine Brust und wechselte das Thema: »Sag mal – du kennst meinen Vater also noch aus der Zeit, als du ein Mensch warst?«
Cain nickte.
»Hast du als Mensch auch so ausgesehen wie jetzt als Engel?«
»Jepp.«
»Mittelalter … Das erklärt, warum du nicht besonders groß bist«, murmelte sie und umkreiste verträumt mit einem Finger seine Brustwarzen.
»So ein Glück für mich, dass du selbst ein Winzling bist.«
Ihre Sticheleien waren erfrischend, aber Cain wusste, warum sie das tat: Sie verbarg ihre wahren Gefühle für ihn. So viel Engel steckte noch in ihm, um sie zu durchschauen. Da sie also auch etwas für ihn empfand, verkomplizierte das die Sache enorm. Cain wusste nämlich nicht, ob er ihr tatsächlich vertrauen konnte.
»Wahre Größe resultiert aus den eigenen Fähigkeiten«, erklärte Raja. »Aber um noch mal auf die Sache mit dem Rad fahren zurückzukommen: Im Mittelalter gab es doch keine Fahrräder.«
Cains Mundwinkel zuckten. »Das ist doch nur eine Redewendung. Du bist wohl nicht viel in der Menschenwelt unterwegs?«
»Na ja, eigentlich schon, aber hauptsächlich zum …«, jetzt lachte auch Raja, »zum Motor rad fahren. Das ist meine Leidenschaft.«
»So – eine Dämonin, Verzeihung, Halb dämonin, die eine Vorliebe für schnelle Fahrzeuge hat.«
Raja beugte sich über ihn und wisperte an seine Lippen: »Schnelle Fahrzeuge, Filme und sexy Männer.«
»Ich bin nicht sexy«, hauchte Cain, sich ihrer Nähe allzu bewusst. »Im Mittelalter hatte ich nur wenige Verehrerinnen.«
»Das war definitiv die falsche Zeit für dich, Baby.« Ihre Lippen streiften ihn und Cain wusste, wenn Raja ihn jetzt küsste, dann wäre er ihr für immer verfallen, mit Haut und Haar.
Plötzlich vibrierte in der Hosentasche sein Handy. Auch Raja musste es bemerkt haben, denn sie zuckte zurück. Als Cain sein Smartphone herausholte, sprang Raja auf und war angezogen, noch bevor er die ganze Nachricht durchgelesen hatte, die Crispin ihm geschickt hatte.
»Wo? Wo ist Thorne?«, fragte Raja aufgeregt, während sie den letzten Stiefel schnürte.
Cain hielt ihr sein Handy unter die Nase und zeigte ihr die Koordinaten. »Auf einer Azoreninsel.«
»Wer zuerst da ist!«, rief sie übermütig, rannte zur Burgmauer und erschuf dort ein Portal. Cain erblickte durch das Loch in der Wand dunkelgrüne Wellen. Raja hüpfte hindurch und war verschwunden. Cain hörte nur einen Schrei, dann folgte ein Platscher und er sah Wasser aufspritzen, bevor sich das Portal schloss.
»Geschieht dir recht, Teufelsweib!«, rief Cain ihr hinterher. Er hatte doch geahnt, dass Raja ihn austricksen würde, um an den Kelch zu gelangen. »Von wegen Zusammenarbeit«, fluchte er und wollte sich gerade selbst auf den Weg machen, als ihn eine Vision mit solch einer Kraft heimsuchte, dass er auf den Boden fiel.
Kaltes Wasser umgab ihn, salzige Wellen schwappten in seinen Mund, als er nach Raja rief. Wohin er auch blickte – es gab nur das endlose Meer um ihn herum. Dann hielt er die Luft an und tauchte. Gerade noch sah er Rajas blonden Schopf, bevor die Dunkelheit der Tiefsee sie verschlang. Cain beeilte sich, tauchte tiefer. Da sah er sie wieder, sie strampelte schwach, Mund und Augen aufgerissen. Sie würde sterben, wenn er sie nicht endlich erreichte.
Sein Herz raste panisch, aus Angst, er könne sie nicht mehr rechtzeitig aus dem Wasser ziehen. Hilflos streckte ihm Raja die Hand entgegen, doch er bekam sie nicht zu packen. Der Lederoverall hatte sich mit Wasser vollgesogen und zog Raja immer weiter nach unten. Plötzlich schlossen sich ihre Augen, der Arm erschlaffte. Das blonde Haar waberte über ihrem Kopf und vor ihrem Gesicht, was ihr das Aussehen eines Engels verlieh.
Cain kam zurück in die Realität und holte tief Luft. Wann würde sich diese Vision erfüllen? Scharf dachte er nach, während er sich in einem Wirbel auflöste und in den Himmel schoss. Er hatte in seiner Vision kein Hemd getragen, wie jetzt gerade! Und die Azoren lagen
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