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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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auf, und früher oder später spürst du all das, was ich dir gerade zu erklären versucht habe. Aber nie erlaubst du dir, deinen Ahnungen zu vertrauen, obwohl du doch weißt, dass es die Wahrheit ist.«

    Daniel hielt inne, um Atem zu holen, und schaute an Luce vorbei in die Ferne, ohne sie wahrzunehmen. Dann legte er seine Hand auf ihr Knie und sandte wieder das Feuer durch ihren Körper.
    Sie schloss die Augen, und als sie sie öffnete, hielt Daniel eine weiße Pfingstrose von vollendeter Schönheit in der Hand. Sie schien zu leuchten. Luce wandte den Kopf, um zu sehen, wo er sie gepflückt hatte. Wie hatte sie die Päonien vorher bloß übersehen können. Aber sie entdeckte nur Gräser und herabgefallene, verfaulende Pfirsiche. Sie hielten zusammen die weiße Blüte in ihren Händen.
    »Du wusstest es, als du in jenem Sommer in Helston einen Monat lang jeden Tag weiße Pfingstrosen gepflückt hast. Erinnerst du dich?« Er schaute sie an, als wollte er in ihr Inneres blicken. »Nein«, sagte er seufzend. »Natürlich erinnerst du dich nicht, und ich beneide dich darum.«
    Aber in dem Augenblick, als er das sagte, glühte ihre Haut mit einem Mal, als reagierte sie auf die Worte, mit denen ihr Gehirn nichts anfangen konnte.
    »Ich habe das alles getan«, sagte Daniel und lehnte die Stirn gegen ihre, »weil ich dich liebe, Lucinda. Für mich gibt es nur dich.«
    Luce zitterte, ihre Hände lagen kraftlos in seinen, die weißen Blütenblätter fielen zwischen ihren Fingern hindurch auf den Boden.
    »Warum bist du dann so traurig?«
    Es war alles zu viel für sie. Sogar zu viel, um überhaupt nur anzufangen, darüber nachzudenken. Sie löste sich von Daniel und stand auf. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie … sie hatte schon früher gelebt?
    »Luce.«
    Sie machte eine abwehrende Geste. »Ich muss jetzt allein
sein, ich brauche Zeit für mich. Ich glaube, ich muss mich etwas hinlegen.« Sie lehnte sich mit ihrem ganzen Körper gegen den Pfirsichbaum. Sie fühlte sich unendlich schwach.
    »Es geht dir nicht gut«, sagte er, stand ebenfalls auf und nahm ihre Hand.
    »Nicht so schlimm.«
    »Es tut mir so leid.« Daniel seufzte. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, dir das alles zu erzählen. Ich hätte besser …«
    Luce hätte nie gedacht, dass es einen Moment geben könnte, in dem sie lieber allein sein wollte, statt mit Daniel zusammen. Er schaute sie an, als erwartete er von ihr, dass sie sagte, lass uns später weiterreden, ich komme nachher bei dir vorbei. Aber sie war sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Je mehr er sagte, desto stärker fühlte sie, wie sich etwas in ihr regte … von dem sie nicht wusste, ob sie dafür bereit war. Sie hatte nicht mehr Angst, irre und verrückt zu sein - und wenn sie ehrlich war, glaubte sie auch nicht, dass Daniel es war. Für jeden anderen Menschen auf der Welt hätte seine Erzählung mit jedem Satz durchgeknallter geklungen. Für Luce aber … sie war sich noch nicht sicher, aber wenn Daniels Geschichte nun wirklich die Antwort auf die vielen Fragen wäre, die sie schon so lange quälten? Alles ergäbe dann plötzlich einen Sinn. Aber was wusste sie denn schon? Sie fürchtete sich stärker als jemals zuvor in ihrem Leben.
    Sie schüttelte Daniels Hand ab und begann, zum Ausgang des Friedhofs zurückzugehen. Sie wollte in ihr Zimmer. Nach ein paar Schritten hielt sie an und drehte sich langsam um.
    Daniel stand reglos da. »Was ist?«, fragte er und hob das Kinn.
    Luce rührte sich nicht, sie kam nicht wieder näher. »Ich
hatte dir versprochen zu bleiben, um auch noch die gute Nachricht zu hören.«
    Daniels Gesicht entkrampfte sich, er lächelte fast. Dennoch wirkte auch er unruhig und ängstlich. »Die gute Nachricht ist«, er machte eine Pause, als gälte es, die Worte nun besonders sorgfältig zu wählen, »dass ich dich geküsst habe und du immer noch am Leben bist.«

Siebzehn
    Ein offenes Buch

    Luce warf sich auf ihr Bett, dass die ausgeleierten Sprungfedern nur so ächzten. Sie war vom Friedhof auf ihrer Flucht vor Daniel bis in ihr Zimmer gerannt. Sie hatte noch nicht einmal das Licht angemacht, weshalb sie gegen ihren Schreibtischstuhl gerumpelt war und sich dabei den großen Zeh angestoßen hatte. Sie krümmte sich auf der Matratze zusammen und rieb sich den heftig pochenden Zeh. Dieser Schmerz war wenigstens wirklich, etwas, womit sie umgehen konnte. So etwas kam in der Welt vor und war ganz normal. Sie war so glücklich, dass sie endlich

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