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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Buch, das Daniels Vorfahre geschrieben hatte.
    Luce zog den Zettel mit ihrem Namen heraus, der vorne hineingesteckt war.
    Ja, ich gestehe, dass ich einen Zweitschlüssel aufgetrieben habe, um unerlaubterweise dein Zimmer betreten zu können. Entschuldigung. Aber das ist DRINGEND!!! Und ich konnte dich nirgendwo finden. Wo steckst du? Du musst da unbedingt einen Blick reinwerfen, und dann müssen wir Kriegsrat halten. In einer Stunde komm ich bei dir vorbei. Sei vorsichtig.
    G&K,
    Penn
    Luce legte den Zettel neben die Pfingstrosen auf das Fensterbrett und setzte sich mit dem Buch aufs Bett. Allein das Buch in der Hand zu halten, verursachte bei ihr ein Kribbeln unter der Haut. Es fühlte sich zwischen ihren Fingern beinahe lebendig an.
    Sie schlug die erste Seite auf und war darauf gefasst, sich gleich durch eine trockene Inhaltsübersicht quälen oder im Anhang mühsam das Register durchforsten zu müssen, bevor sie irgendetwas fand, was auch nur entfernt mit Daniel zu tun haben könnte.
    Sie kam nicht weiter als bis zum Titelblatt.
    Auf die leere Seite daneben war eine sepiafarbene Fotografie geklebt. Eine sehr alte Fotografie, ein Carte-de-visite-Porträt
auf Albuminpapier. Auf den unteren Rand hatte jemand mit Tinte geschrieben: Helston, 1854.
    Mit einem Mal wurde ihr am ganzen Körper heiß. Sie zog hastig ihren schwarzen Sweater über den Kopf, aber auch im Tanktop schwitzte sie noch.
    Die Erinnerung an Daniels Stimme hallte in ihr nach. Ich muss in alle Ewigkeit weiterleben, hatte er gesagt. Alle siebzehn Jahre begegnen wir uns. Du verliebst dich in mich, und ich mich in dich. Und du stirbst daran.
    In ihrem Kopf pochte es.
    Weil ich dich liebe, Lucinda. Für mich gibt es nur dich.
    Sie fuhr mit dem Finger die Ränder der alten Fotografie nach. Luces Vater, der selbst ernannte Fotografie-Experte, hätte wahrscheinlich den großartigen Erhaltungszustand bewundert oder betont, wie wertvoll ein solcher Abzug war.
    Luce dagegen konnte die Augen nicht von den beiden Personen auf dem Bild wenden. Denn das alles ergab keinen Sinn - es sei denn, was Daniel ihr erzählt hatte, entsprach der Wahrheit.
    Ein junger Mann, in einen eleganten schwarzen Gehrock gekleidet, mit hellem kurzem Haar und strahlenden hellen Augen posierte in aufrechter Haltung für den Fotografen. Er hatte fein geschnittene Gesichtszüge, und sein stolzer Blick, das erhobene Kinn, der entschlossene Ausdruck ließen ihn männlich und tatkräftig wirken. Doch es waren seine Lippen, die Luce in ihren Bann zogen - und erschreckten. Der sanfte Schwung ihrer Linien, ihr Lächeln, verbunden mit dem Blick aus seinen Augen … das alles ergab einen Ausdruck in diesem Gesicht, dem Luce in jedem ihrer Träume der vergangenen Wochen begegnet war. Und in den letzten Tagen nicht nur in ihren Träumen, sondern auch in der Wirklichkeit.

    Der junge Mann auf der Fotografie sah Daniel zum Verwechseln ähnlich. Daniel, der ihr gerade erklärt hatte, dass er sie liebte - und dass sie bereits Dutzende von Malen wiedergeboren worden war. Daniel, der noch so vieles andere gesagt hatte, was Luce nicht hören wollte, sodass sie weggerannt war. Daniel, den sie unter den Pfirsichbäumen auf dem Friedhof allein hatte stehen lassen.
    Es hätte nur eine sehr auffallende Ähnlichkeit sein können. Ein Vorfahre aus der langen Reihe von Daniels Vorfahren, von dem ein Foto in das Buch geklebt war, dessen Verfasser ebenfalls den Namen Grigori trug. Und wie der Zufall es wollte, war Daniel das genaue Ebenbild seines Ahnen …
    Wenn auf der Fotografie nicht vor dem jungen Mann eine junge Frau gesessen hätte, die ebenfalls auf unheimliche Weise vertraut aussah.
    Luce hielt das Buch ganz nahe vor ihr Gesicht und studierte jeden Millimeter des Abbildes der Frau, die fast noch ein Mädchen war. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Ballkleid aus schwarzer Seide, das sich eng um ihren Oberkörper schmiegte und dann in einen bauschigen Rock überging. Schwarze Spitzenhandschuhe reichten ihr bis zum Ellenbogen, ließe aber vorne die Finger frei. Ihre Lippen waren zu einem leichten Lächeln geöffnet. Sie hatte sehr helle, fast alabasterfarbene Haut, heller als seine. Ihre tief liegenden, leicht verschatteten Augen waren von dichten, langen Wimpern umrahmt. Ein dunkle Haarflut fiel ihr in üppigen Wellen bis zur Taille hinab.
    Luce stockte der Atem und es dauerte eine Weile, bis sie wieder regelmäßig ein- und ausatmen konnte. Sie vermochte ihre tränenerfüllten Augen nicht von der Fotografie

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