Engelsnacht
und die Hitze schoss durch ihren Körper
und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, eine hohe Flamme … und Sekunden später lag das Leben, das sie bis dahin geführt hatte, in Schutt und Asche.
Luce rollte sich auf dem Bett zusammen und vergrub das Gesicht in den Armen. Sie hatte monatelang um Trevor getrauert - und jetzt, auf der dünnen, harten Matratze in diesem fremden Zimmer, spürte sie plötzlich, wie selbstsüchtig und sinnlos diese Trauer gewesen war. Sie hatte Trevor nicht besser gekannt, als sie … Cam kannte.
Ein Klopfen an der Tür ließ Luce auffahren. Woher wusste hier irgendjemand, dass sie in ihrem Zimmer war? Sie ging auf Zehenspitzen zur Tür und öffnete sie. Dann steckte sie den Kopf in den Flur hinaus. Sie hatte keine Schritte gehört und weit und breit war niemand zu sehen.
Keine Spur von der Person, die geklopft hatte - bis auf den Papierflieger, der hinter dem Schild mit der Zimmernummer neben ihrer Tür steckte. Luce lächelte, als sie auf einem der Flügel ihren Namen in schwarzem Filzstift entdeckte. Aber als sie den Zettel auseinanderfaltete, fand sie dort nur einen schwarzen Pfeil, der den Gang entlangzeigte.
Arriane hatte sie eingeladen, noch bei ihr vorbeizukommen, aber das war vor dem Zwischenfall mit Molly in der Cafeteria gewesen. Luce schaute den leeren Korridor hinunter. Sollte sie dem rätselhaften Pfeil folgen? Dann warf sie einen Blick hinter sich auf ihre riesige Reisetasche. Sobald sie sie auspackte, würde die Selbstmitleidsorgie beginnen. Mit einem Schulterzucken zog sie die Tür von außen zu, steckte den Schlüssel in die Hosentasche und ging los.
Nach einiger Zeit hielt sie vor einer Tür mit einem riesengroßen Poster von Sonny Terry an, einem blinden Musiker, der, wie sie aus der zerkratzten Plattensammlung ihres Vaters wusste, seiner Mundharmonika unglaubliche Bluestöne entlocken
konnte. Sie beugte sich vor, um den Namen unter der Zimmernummer zu lesen, und stellte erschrocken fest, dass sie vor der Tür von Roland Sparks stand. Sofort fing es in ihrem Gehirn zu arbeiten an, und verärgert merkte sie, dass sie darüber nachdachte, wie groß wohl die Wahrscheinlichkeit war, dass Daniel gerade bei Roland war und sie vielleicht nur eine Tür von ihm trennte.
Ein mechanisches Summen ließ Luce auffahren. Sie blickte direkt in eine Überwachungskamera, nur wenige Zentimeter über dem Türrahmen. Rotlicht. Jede Bewegung von ihr wurde verfolgt. Sie zuckte zusammen, aus Gründen, die keine Kamera der Welt analysieren konnte. Auch egal. Sie war gekommen, um Arriane zu besuchen - deren Zimmer, wie sie jetzt feststellte, direkt gegenüberlag.
Als sie vor Arrianes Zimmer stand, spürte sie einen Anflug von Zärtlichkeit. Die ganze Tür war von oben bis unten mit Aufklebern übersät - die meisten gekauft, andere ganz offensichtlich selbst gebastelt. So viele, dass gar nicht mehr genug Platz für alle war, jeder neue Spruch verdeckte zur Hälfte einen alten, und oft genug widersprachen sich die Botschaften auch. Luce musste lachen, als sie sich vorstellte, wie Arriane alle Aufkleber sammelte, die ihr zwischen die Finger gerieten (DIE SCHWACHEN AN DIE MACHT … MEINE TOCHTER IST SCHÜLERIN DER SWORD & CROSS … ATOMKRAFT - NEIN DANKE!), um sie dann ebenso wahllos - aber entschieden - an der Grenze zu ihrem Reich anzubringen.
Luce hätte stundenlang an Arrianes Tür stehen und die Aufkleber lesen können, aber sie fühlte sich schnell unwohl bei dem Gedanken, womöglich doch nicht von Arriane eingeladen worden zu sein. Da entdeckte sie neben der Tür einen zweiten Papierflieger. Sie faltete den Zettel auseinander.
Meine liebe Luce,
wenn du tatsächlich heute Abend vorbeikommen solltest, wow! Wir werden uns bestimmt suuuuper verstehen.
Wenn du mich aber hängen lässt, dann … hey, Finger weg von meinem Brief, ROLAND! Wie oft hab ich dir das schon gesagt! Jawoll.
Egal: Ich hab versprochen, dass wir heute Abend cool abhängen, aber ich musste leider ziemlich sofort auf die Krankenstation (wenigstens ein Gutes hat die Elektroschockbehandlung), um mich dort von dem Albatros auf Herz und Nieren prüfen zu lassen.
Darum - bis zum nächsten Mal?
Deine psychotische Freundin,
A.
Luce stand mit dem Zettel in der Hand da und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Sie war erleichtert, dass man sich um Arriane kümmerte, aber trotzdem enttäuscht, weil sie nicht da war. Sie hätte gerne vor ihr gestanden und ihre unbekümmerte Stimme gehört, dir ihr mitteilte, dass der
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