Engelspakt: Thriller (German Edition)
interessant sein könnten, Schwester.«
»Das freut mich, Bruder Anselmus. Wann kann ich das Material einsehen?«
Tomàs de Torquemada war von Papst Sixtus IV. zum ersten Großinquisitor des Königreiches Aragón ernannt worden und hatte für Spanien einen eigenen inquisitorischen Behördenapparat aufgebaut. Die Verwaltung hatte bis ins neunzehnte Jahrhundert als vorbildlich gegolten. Catherine wollte unbedingt mehr über diese historische Tätergestalt und ihre Arbeit erfahren.
»Wenn Sie möchten, hole ich Sie um die gleiche Zeit am Eingang zu den Archiven ab wie letztes Mal. Aber vorab schon mal ein paar Daten zur Orientierung …«
Catherine nahm Stift und Papier und machte sich ein paar Notizen. Was Anselmus berichtete, klang in der Tat vielversprechend. Die Freude über die Dokumente ließ sie für einen Moment sogar die unliebsame Begegnung mit Gasperetti vergessen. Doch als sie den Hörer auflegte, kehrten ihre Gedanken wieder zu dem alten Kardinal und seiner Beharrlichkeit zurück. Sie musste vor ihm auf der Hut sein. Vor allem jetzt, da Darius tot war und sie keinerlei Rückendeckung mehr hatte. Ganz gleich wie sehr Gasperetti sie unter Druck setzte, sie durfte auf gar keinen Fall etwas Unüberlegtes tun. Darin lag für sie die größte Gefahr.
Irgendwie musste sie sich ablenken, also packte sie ihre Aktentasche, einen kleinen Dokumentenrucksack mit Laptop-Fach. Sie würde in die Stadt gehen, in ein Café, und dort weiterschreiben. Diese Methode hatte sich schon häufiger bewährt.
6.
Nachdem Professor Alan Scrimgeour das großzügige Zimmer im Santa Chiara betreten hatte, zog er den Mantel aus, warf sein Gepäck aufs Bett und atmete erst einmal erleichtert auf. Das Hotel lag nur wenige Minuten vom Stadtzentrum entfernt direkt hinter dem Pantheon, einem Tempel aus der Antike und zugleich der ältesten katholischen Kirche Roms. Für Scrimgeours Plan war das Santa Chiara der ideale Ausgangspunkt. Zu gerne hätte er nach der anstrengenden Zugfahrt ein wenig gedöst, doch er musste noch ein paar Dinge erledigen, bevor er sich ausruhen konnte, daher bestellte er sich einen Espresso aufs Zimmer. Nachdem er den Kaffee getrunken hatte, verriegelte er die Tür und machte sich an die Arbeit.
Er nahm den Datenträger, den er von Kublicki erhalten hatte, und schob ihn zusammen mit einem vorbereiteten Brief in einen großen, gepolsterten Umschlag. Dann adressierte und versiegelte er die Sendung und sorgte dafür, dass ein privater Kurierdienst sie zu einer ganz bestimmten Stunde zustellte.
Jetzt erst öffnete er den handlichen Reisekoffer und entnahm der inneren Seitentasche eine Zeichnung mit dem Porträt eines Jungen, auf deren Rückseite ein Symbol mit einem Zitat in einer fremdartigen Schrift stand. Die Schrift konnten vermutlich gerade einmal drei oder vier Menschen auf der ganzen Welt lesen.
Einer dieser wenigen Menschen war er.
Und er fürchtete dieses Zitat.
Es bereitete ihm ein solches Unbehagen, dass er sich nicht einmal sicher war, ob er seine Mission würde vollenden können. Nicht dass es ihm an Mut und Entschlossenheit gefehlt hätte, aber sein Gegner war ein äußerst gefährlicher Mann. Aus diesem Grund verschickte Scrimgeour auch zwei Briefe. Sollte er scheitern, brauchte er einen furchtlosen und kämpferischen Zeugen, der alles daransetzen würde, um die Mission doch noch zu einem gerechten Ende zu führen. Scrimgeour war sich sicher, dieser Zeuge würde niemals scheitern.
Er steckte das Blatt mit dem Porträt des Jungen und dem Zitat vorsichtig in einen weiteren gepolsterten Umschlag, fügte ein Foto seiner Frau hinzu, schrieb eine kurze Mitteilung und adressierte die Sendung.
Entdeckt hatte er das Porträt, als er das Arbeitszimmer im hinteren Dachgeschoss seines viktorianischen Hauses renovieren wollte. Sarah hatte den alten Raum stets genutzt, wenn sie bei ihm in Cambridge gewesen war und an ihrer Dissertation gearbeitet hatte. Letzten Winter – zehn Jahre waren seit dem Tod seiner Frau vergangen – hatte sich der Regen durch das Dach geschlichen und die Wand am Fenster gleich hinter dem Schreibtisch fast in einen Schwamm verwandelt. Als hätte das Schicksal es so geplant, hatte er beim Ausräumen das Blatt Papier in Sarahs Schreibtisch gefunden.
Scrimgeour holte tief Luft, weil mit dieser Erinnerung viel verbunden war. So hatte die Familie seiner Frau nie erfahren, dass sie und Scrimgeour ein Paar gewesen waren. Nur unter einer Bedingung hatte die Römerin dem Briten das Jawort
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