Engelspakt: Thriller (German Edition)
gegeben, nämlich dass die Hochzeit heimlich stattfinden müsse. Nach der Eheschließung hatte Scrimgeour sich gehütet, diese Forderung seiner Frau zu hinterfragen, aus Angst sie zu verlieren. Nicht einmal nach der zweiten Fehlgeburt hatte Sarahs Familie von ihm oder den beiden Schwangerschaften erfahren.
Die Trauung hatte daher im allerengsten Kreis stattgefunden: nur der Priester, Sarah, ein Trauzeuge von der Straße, der die dilettantischen Fotos schoss, und er. Nach der Hochzeit hatten seine Frau und er nicht einmal Eheringe getragen. Das Risiko war einfach zu groß. Im Rückblick erschien Scrimgeour das alles völlig absurd, aber damals war ihm aus Liebe alles zwingend und sinnvoll erschienen. Und nun …
Dank Kublickis Detektivarbeit kannte er jetzt die Antwort auf die Frage nach dem Warum. Ihr Ausmaß war unerträglicher als alles, was er sich je hätte ausmalen können. Ein Verbrechen gegen die natürliche Ordnung, das schließlich zum Tod seiner geliebten Frau geführt hatte!
Er verschloss den letzten Umschlag, von dem alles abhing. Dann ging er zu der Reisetasche hinüber, die neben dem Koffer stand, und nahm die Flasche Whisky heraus, die er sich gekauft hatte. Er schenkte sich einen doppelten ein und gleich noch einen. Zur Sicherheit schluckte er gleich darauf noch ein paar Beruhigungspillen, ehe er diverse Telefonate tätigte und einige wichtige Daten im Internet heraussuchte. Erst dann ließ er sich auf dem Bett neben dem Reisekoffer nieder und schloss kurz die Augen.
Im Geiste spazierte er mit seiner toten Frau durch den Petersdom. Für viele Touristen war die erhabene Pracht des Doms nichts weiter als eine Hollywood-Inszenierung, für seine Sarah hingegen war St. Peter das beeindruckendste sakrale Monument der Christenheit gewesen, von Gott inspiriert. Sie hatte ihm sogar das eine oder andere kleine Geheimnis über den Stadtstaat erzählt, unter anderem was sich hinter so mancher Tür des Doms verbarg. Die uniformierten Wächter der Schweizergarde achteten natürlich penibel darauf, dass kein Unbefugter sich in nicht öffentliche Bereiche des Vatikans verirrte.
Beim Gedanken an seine Frau atmete Scrimgeour tief durch. Seit ihrem Tod nahm er sein Leben nur noch unbewusst wahr. Er hatte keine Ahnung, wie er all die Jahre ohne sie überhaupt überstanden hatte. Der Alkohol war ihm immer öfter ein Trostspender gewesen. Scrimgeour beschloss, dem Petersdom zu Ehren seiner Frau am nächsten Tag einen Besuch abzustatten. Er hatte ohnehin mehr als genug Zeit, daher wollte er danach noch einen Streifzug über den Campo de’ Fiori mit seinem vielseitigen Marktplatz und den prachtvollen Renaissance-Gebäuden machen. Dort war auch der Treffpunkt für seinen Racheakt. Eine kleine, dem Fest des Todes geweihte Kirche, die er zur Sicherheit vorher noch einmal inspizieren wollte.
Unwillkürlich glitt Scrimgeours Blick zu seinem Reisekoffer. Das Gepäckstück barg etwas, das er mit Hilfe einer stattlichen Bestechungssumme nach Italien geschmuggelt hatte, wobei er Blut und Wasser geschwitzt hatte. Es war ein Erbstück seines Großvaters.
Er öffnete das Hauptfach des Koffers, räumte mit wenigen Handgriffen die Kleidung heraus und entnahm dem Geheimfach das gut verpackte Erbstück, einen Enfield Revolver, wie ihn die britischen Streitkräfte regulär während des Zweiten Weltkriegs verwendet hatten. Nach all den Jahren funktionierte die Waffe noch immer erstaunlich gut. Er überprüfte den Revolver noch einmal, wog ihn in der Faust, zielte und drückte im Geiste ab, wobei er sich vorstellte, wie sein Gegner von der Wucht der Kugel getroffen, zurückgeschleudert und innerlich zerfetzt wurde.
Auge um Auge. Zahn um Zahn.
7.
Der Palast der Inquisition lag wie ein Unheil verkündender Wachhund im Schatten des Petersdoms. Monsignore Rinaldo saß im Vorzimmer des Präfekten der Glaubenskongregation und blickte auf den Sekundenzeiger der Uhr, die über Bischof Tardinis antikem Schreibtisch leise vor sich hin tickte.
Dreiundzwanzig Minuten!
Er seufzte innerlich. Warum beorderte Kardinal Ciban ihn hierher, wenn er ihn dann so lange warten ließ? Tardini bedeutete ihm, sich noch ein klein wenig zu gedulden, und Rinaldo nahm die Geste dankbar an. Wenn er in den letzten Jahren eines gelernt hatte, dann dass der weißhaarige, bedächtige Tardini weit mehr war als nur der erste Sekretär von Marc Kardinal Ciban.
Rinaldo hatte in Kirchenrecht promoviert und arbeitete seit einigen Jahren ohne nennenswerten Ehrgeiz für
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