Engelspakt: Thriller (German Edition)
nein. Sie ist viel mehr als das. Sie ist ein eigenständiges Werk. Sie ist die Heilige Schrift aus einer völlig anderen Perspektive – und im Übrigen wesentlich älter.«
Catherine starrte Lazarus an. Dass er in diesem Moment mit einer Mitarbeiterin des Präfekten der Glaubenskongregation über diese Dinge sprach, schien ihn nicht im Geringsten zu beunruhigen. Nun ja, warum auch? Catherine hatte selbst genügend Leichen im Keller.
»Wissen Sie, Schwester Catherine, mit der Bibel der Menschen ist es so eine Sache, und die hängt mit dem freien Willen der Menschen zusammen. Die Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen. Die Menschen hören nur das, was sie hören wollen. Und sie schreiben auch nur das, was sie schreiben wollen. Die Bibel der Menschen, die Bibel jener Zeit, in der sie geschrieben wurde, ist nicht gerade wahrhaftig zu nennen. Sie ist vielmehr von ganz persönlichen menschlichen Zielen und Motivationen geprägt. Oh, nicht dass die Menschen es böse meinen. Ihre Fantasie geht einfach nur hin und wieder mit ihnen durch, in dem Bestreben, ihre Mitmenschen für ihre Ansichten zu begeistern.«
Catherine war nun völlig klar, weswegen man Lazarus jedweden Zugang zu den Archiven verwehrte, weshalb man ihn regelrecht verbannt hatte. Sie selbst galt schon als gefährliche Rebellin, doch neben diesem Mann stand sie da wie ein Waisenkind. Lediglich ihre Erlebnisse von vor einem Jahr, ihr erworbenes Wissen um die wahre Apostelgeschichte und ihr Kontakt mit Kardinal Benelli verhinderten, dass sie in dem alten Gelehrten nicht einfach nur einen Narren sah, den man am besten ignorierte.
Nicht zuletzt war seit dem Inquisitor Torquemada auch Kardinal Ciban an dieser ganzen Triadensache brennend interessiert.
»Das klingt, als ob diese Triaden gar keine Menschen wären«, entgegnete sie. »Als wäre allein ihre Bibel wahrhaftig.«
»Damals war es auch so, als die ersten Gottessöhne auf die Erde kamen, um die Menschen zu lehren. Beispielsweise berichtet die Triadenbibel über die Evolution der Engel und der Menschen und über ihre Vermischung, woraus die bösartigen Nephilim hervorgingen – und der Orden der Triaden. Wie der Gelehrte Lord Acton schon sagte: ›Macht korrumpiert.‹ Und glauben Sie mir, Catherine, absolute Macht korrumpiert selbst Engel.«
»Demnach sind die Triaden gefallene Engel«, stellte Catherine nüchtern fest.
»Das behaupten sie jedenfalls von sich. Aber es kommt noch besser. Die Triadenbibel ist ein kosmisches Historien- und Zukunftsannal mit festen Eckpunkten in der Zeit. Es gibt allerdings Grauzonen, auf denen ein ehrgeiziger Mensch seine Autorität aufbauen kann. Alexander der Große soll im Besitz einer der letzten Triadenbibeln gewesen sein. Sein Nachfolger vermachte die Schrift der Bibliothek von Alexandria, wo sie in einem alexandrinischen Verzeichnis erwähnt wird. Seit dem Brand bei der Invasion von Caesar fehlt von der Bibel leider jede Spur.«
Er ergriff das Buch mit dem Ankh-Symbol und rückte seinen Stuhl neben den von Catherine.
»Das hier ist eine bruchstückhafte, vielleicht zwanzig Prozent des Originalinhalts umfassende Kopie. Sie ist Ende des neunzehnten Jahrhunderts in einem kleinen französischen Dorf aufgetaucht, bei Renovierungsarbeiten in der Dorfkirche. Es heißt, das Original sei selbst eine Kopie aus dem vierzehnten Jahrhundert und liege seit vielen Jahren tief im Innern des vatikanischen Geheimarchivs in einem modernen Safe aus Glas und Stahl. Offiziell existiert diese rudimentäre Kopie hingegen überhaupt nicht. Nicht einmal der Papst weiß von ihrer Existenz.« Lazarus machte eine kurze Pause. »Aber Kardinal Cibans Vater wusste davon.«
Catherine starrte auf das Buch. Das erklärte zumindest all die Puzzlestücke um die Triaden, die Catherine in Cibans geheimem Raum gesichtet hatte. Er suchte nach einem vollständigen Exemplar der Triadenbibel, und irgendwo in diesem ganzen Wirrwarr bestand zudem auch noch diese unselige Verbindung zu seiner Schwester und dem Ehering. War Sarahs Eheschließung mit Alan Scrimgeour etwa gar kein Zufall gewesen?
Behutsam blätterte Lazarus die alten Seiten des Buches um, wobei ein modriger Hauch den Tisch einhüllte. Furchtbare Bilder wurden sichtbar: Streifen aus Fleisch, die den Gemarterten bei lebendigem Leib aus dem Körper geschnitten wurden, außerdem entzweigerrissene, gehängte, viergeteilte oder brennende Leiber. Bilder, die an Hexenwahn und Dämonismus erinnerten, blutige Darstellungen von Folter und
Weitere Kostenlose Bücher