Engelspakt: Thriller (German Edition)
und selbstlosen Mann erlebt. Kurz vor dem endgültigen geistigen Zusammenbruch und einer Einweisung in eine Nervenheilanstalt kam Sarah endlich wieder zur Vernunft.
Es grenzte an ein Wunder, Robert, an ein echtes Wunder. Noch heute kann ich es kaum fassen, denn ich stand selbst am Abgrund und war trotz meines Versprechens nach all den Qualen nahe daran, Sarahs Familie einzuweihen.
Allmählich veränderte sich die Handschrift. Die Buchstaben wurden größer, unharmonischer, holprig, zerhackt, und die Zeilen gingen über den vorgegebenen rechten Rand hinaus. Das war nicht mehr die kleine, präzise Handschrift des Wissenschaftlers, sondern die eines Menschen, der zutiefst emotional aufgewühlt war.
Natürlich weihte ich die Cibans nicht ein. So verbrachten Sarah und ich nach all der Dunkelheit einige glückliche Wochen, die unbeschwertesten seit langem. Dann fuhr Sarah nach Rom, um mit ihrer Familie zu reden und einige für unsere Ehe wichtige Dinge zu klären. Doch so oft sie auch in den letzten Jahren von ihren Romreisen zurückgekehrt war – von dieser Reise sollte sie nicht wiederkommen.
Die Handschrift verschlechterte sich von Wort zu Wort. Die Zeilen fielen weiter ab, wurden noch unkontrollierter, die Wortabstände unregelmäßig.
Angeblich ist sie bei einem Autounfall in den Albaner Bergen ums Leben gekommen. Die Cibans hatten sie bereits beerdigt, als ich über die römischen Medien, die Sarah und ich in London via Satellit empfingen, davon erfuhr. Ich hatte nicht einmal Zugang zu ihrem Grab, das irgendwo auf dem Gelände des Familienanwesens liegt.
Wieder eine Unterbrechung, diesmal mitten auf dem Papier. Auf der unteren Hälfte Flecken. Scrimgeour hatte beim Schreiben vermutlich Alkohol getrunken. Dann fing ein neues Blatt an.
Als ich von Sarahs Tod erfuhr, brach meine Welt endgültig zusammen. Ich gab meine offizielle Arbeit auf, fing wieder zu trinken an und versuchte meine Trauer und mein Selbstmitleid in Fässern von Alkohol zu ertränken.
Bis zu dem Tag, an dem ich die Zeichnung in dem alten Arbeitszimmer fand. Sarahs Zeichnung! Du wirst nicht glauben, wen sie da gezeichnet hat!
Catherine versuchte, sich von Scrimgeours Aufgewühltheit nicht mitreißen zu lassen. Sie griff nach dem nächsten Blatt Papier – und blickte auf die Kopie der Zeichnung mit dem Jungen und dem Zitat, mitten in dem von zittriger Hand geschriebenen Brief. Es kostete sie alle Selbstbeherrschung, nicht aufzuspringen und wie von Sinnen in ihrem Wohnzimmer hin und her zu laufen. Gleichzeitig spürte sie, dass ihr Unterbewusstsein über Cibans Reminiszenzen in Windeseile Verbindungen herstellte, die ihr noch verborgen blieben. Die Zeichnung war ebenfalls von Flecken übersät. Catherine legte sie mit leicht bebender Hand beiseite und konzentrierte sich auf den Rest des Briefs.
Jetzt bist du sicher sprachlos, Robert. Glaub mir, ich habe Sarah niemals die Kopie des Fragments deiner Triadenbibel gezeigt, die du mir freundlicherweise überlassen hast. Dennoch zeichnete sie genau jenen Jungen, von dem wir beide nicht wissen, ob er der wiederkehrende Messias ist oder der Antichrist. Sie nannte den Jungen David. David! So hätte unser gemeinsames Kind heißen sollen, wenn es ein Junge geworden wäre! Wenn du genau hinsiehst, kannst du den Namen gerade noch in der unteren rechten Ecke als verwischten Bleistiftstrich erkennen. Nimm dir eine Lupe und schau genau hin …
78.
Catherine sprang vom Sofa auf, als hätte sie eine Sprungfeder in den Gelenken, eilte zu ihrem Arbeitsplatz und kramte die alte Einschlaglupe mit Dreifachvergrößerung aus einer der drei Schubladen des Schreibtischs hervor. Seit Ewigkeiten hatte sie die Lupe nicht mehr benutzt. Fast schon grenzte es an ein Wunder, dass sie das alte Ding überhaupt noch besaß.
Dann griff sie zu ihrer Tasche und zog jene Kopie des Porträts hervor, die Coelho ihr überlassen hatte. Mit dem Lupenglas vor dem rechten Auge, sah sie sich bei beiden Kopien die untere rechte Ecke genau an. Die beiden Zeichnungen waren tatsächlich identisch, von den Flecken einmal abgesehen. Auf beiden war ganz schwach der Name David zu erkennen, wenn man wusste, wo man zu suchen hatte.
Sie legte die Lupe beiseite und starrte einen Moment auf das lodernde Kaminfeuer. Alan und Sarahs Kind sollte der Messias oder gar der Antichrist sein? Sie erinnerte sich an das Porträt, das sie bei Lazarus in dem Fragment der Triadenbibel gesehen hatte. Was für ein Irrwitz!
Ockhams Rasiermesser!, schoss es ihr
Weitere Kostenlose Bücher