Engelspakt: Thriller (German Edition)
allem dessen Häufigkeit.
Rein genetisch, also von den Genworten her, lag der Unterschied zwischen Schimpanse und Mensch bei etwas mehr als einem Prozent, sah man jedoch genauer in beide Bücher hinein, betrug der Unterschied allein durch die unterschiedliche Häufigkeit der Worte in puncto Hirnfunktion über siebzig Prozent.
Am Ende der Erläuterung stand für Scrimgeour eine Forschungserkenntnis, die Catherine regelrecht den Atem verschlug. Sarah Cibans Genprofil war von einem normalen Menschen, was die Worthäufigkeit anging, etwa ein Viertel so weit entfernt wie das normale menschliche Genprofil von einem Schimpansen. Scrimgeour sprach von seiner Frau plötzlich als einem Übermenschen.
Jedenfalls war Scrimgeour fest davon überzeugt, dass die vielen von Scelpa durchgeführten Fruchtwasser- und Genanalysen, bei denen es angeblich um die Gesundheit des Kindes ging, kein Zufall waren. Vielmehr hatte der Mediziner das Wissen um Sarahs Andersartigkeit, wie die von dem Privatdetektiv beschafften Unterlagen zeigten, für gentechnische Zwecke genutzt. Und nun waren Sarah und das Kind tot, und auch Scelpa lebte nicht mehr. Scrimgeour konnte ihn also noch nicht einmal zur Rede stellen und persönlich zur Hölle schicken. Dafür hatte der Privatermittler kurz darauf noch etwas anderes herausgefunden. Etwas, das Scrimgeours Weltsicht dermaßen erschüttert und seinen Zorn – sofern dies überhaupt noch möglich war – so sehr auf die Spitze getrieben hatte, dass er ohne Rücksicht auf Verluste sofort nach Rom aufgebrochen war.
Catherine las gebannt weiter.
Du kannst dir nicht vorstellen, wie wütend ich war und es noch immer bin. Allem Anschein nach hat Sarah heimlich selbst einen Gentest an sich und dem ungeborenen Kind durchführen lassen – und das Ergebnis war der wahre und einzige Grund für ihre überstürzte Abreise nach Rom.
Verflucht! Ich war so naiv. So blind. So unglaublich dumm. Ich war gar nicht der Vater meines Kindes! Sieh dir bitte mal die beiliegenden Tabellen mit den genetischen Fingerabdrücken an!
Selbst völlig aufgewühlt, las Catherine Zeile für Zeile weiter. Scrimgeours Schrift wurde dabei wieder erheblich schlechter, unregelmäßiger, die Zeilen brachen immer wieder mittendrin ab oder liefen einfach über den Rand hinaus. Hinzu kam ihre eigene Müdigkeit. Ein Heer von Ameisen schien durch ihr Gehirn zu krabbeln und jeden klaren Gedanken im Keim zu ersticken. Dennoch griff sie zu den Tabellen mit den Bandenmustern und betrachtete sie genauer.
Vier Bandenmuster verliefen von oben nach unten über das kopierte Blatt Papier. V1, V2, M und K. V1 und V2 standen für Vater 1 und Vater 2, M stand für die Mutter und K für das Kind. Sarah Ciban hatte einen Vaterschaftstest machen lassen. Offenbar war sie Scelpa gegenüber misstrauisch geworden.
Catherine las weiter und spähte dabei immer wieder zu der Abbildung mit den genetischen Fingerabdrücken hinüber. Nach einer Weile hatte sie genug gelesen, um zu begreifen, dass ein Vergleich der Bandenmuster die Vaterschaft von V1 ausschloss. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent konnte hingegen bei V2 auf die leibliche Vaterschaft geschlossen werden. Die Übereinstimmung der mütterlichen und väterlichen Linie mit dem Kind war eindeutig zu erkennen. Catherine schnappte nach Luft.
Hatte Scelpa bei der künstlichen Befruchtung etwa sein eigenes Sperma verwendet? War er deshalb so scharf auf das Kind gewesen? Wollte er der Vater eines genetisch veranlagten Übermenschen sein?
Rasch schenkte sie sich von dem Tee nach und trank eine ganze Tasse in einem Zug, um die Ameisenplage in ihrem Hirn und ihre chaotischen Gedanken zu beruhigen.
Ockhams Rasiermesser: Das musste die Lösung sein! Scelpa hatte die Scrimgeours hintergangen, sein eigenes Baby kreiert und Sarah Ciban eingepflanzt. Der behandelnde Arzt war der Vater des Babys.
Catherine wollte weiterlesen, doch der Brief brach mittendrin ab. Also ging sie die Seiten noch einmal bis zu dieser Stelle durch, an der es um den Vaterschaftstest ging, um ja nichts zu überlesen. Sie hatte nichts übersehen. Der Brief hörte auch diesmal mittendrin auf, aber das konnte unmöglich sein. Scrimgeour würde nie einen Brief an Lazarus schicken, dem das Ende und damit die Auflösung fehlte. Niemals!
Da war sie sich ganz sicher. Die Sache war Scrimgeour viel zu wichtig gewesen. Dafür war er eigens nach Rom gereist, ungeachtet der Konsequenzen. Selbst Lazarus hatte er mit diesem Brief auf den Fall
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