Engelspakt: Thriller (German Edition)
Notfallgeburt nicht ums Leben gekommen war, sondern noch immer lebte.
»Was zur Hölle haben Sie getan?«, hatte sie damals in der Londoner Klinik geschrien.
»Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Das wissen Sie ganz genau! Wo ist mein Kind?«
»Beruhige dich, Sarah«, hatte ihr Mann sie zu beschwichtigen versucht.
Zanolla hatte Scrimgeour mit Unschuldsmiene erklärt: »Sie hat ihre Medikamente abgesetzt.«
»Zum Teufel mit Ihnen!« Sarah war ihm fast an die Kehle gesprungen und hatte ihrem Mann zugeschrien: »Merkst du denn nicht, was hier läuft?« Dann wieder zu Zanolla: »Wo ist mein Kind? Wo ist DAVID ?«
Natürlich hatte dieser trottelige Engelsforscher nichts kapiert, im Gegensatz zu seiner Frau. Genau das hatte Zanolla den Rücken gestärkt.
Er hatte Verständnis geheuchelt und zunächst alles auf eine depressive Verstimmung geschoben, die sich nicht selten nach einer Entbindung und erst recht nach dem Verlust eines Kindes einstellte. Doch als Sarah Scrimgeour auch nach Monaten keine Ruhe gab, hatte Zanolla erkennen müssen, dass die genetische Mutter-Kind-Bindung zwischen ihr und seinem Testobjekt in ihrer Wechselwirkung so stark war, dass sie sein gesamtes Forschungsprojekt in Frage stellen konnte. Diese Frau würde niemals aufhören, nach ihrem Kind zu suchen.
Also hatte er weitere Maßnahmen ergriffen und neben den üblichen Symptomen wie Hoffnungslosigkeit oder Schuldgefühlen die Diagnose psychotische Depression hinzugefügt. Er hatte von Zwangsgedanken und Zwangsimpulsen gesprochen bis hin zu Verfolgungswahn und Halluzinationen. Da Sarah Scrimgeour seiner Diagnose nach zudem stark suizidgefährdet war, wollte er sie in eine Spezialklinik einweisen lassen, aber dann hatte sie irgendwie die Kurve bekommen, ihren Mann beruhigt und war nach Rom entwischt, wo sie mit ihrem Bruder hatte reden wollen.
In letzter Sekunde hatte Zanolla mit Kublickis Hilfe diese Katastrophe verhindern können. Dummerweise hatte Kublickis Eingreifen ihm jedoch nur einen Zeitgewinn von wenigen Jahren verschafft, da ausgerechnet einer seiner Kollegen sich für seine außerordentliche Forschungsarbeit zu interessieren begonnen hatte. Zanolla hatte daraufhin noch härter durchgegriffen. Die Brenda-Thornton-Klinik existierte nicht mehr, und er hatte sich in Italien eine neue Identität samt Existenz aufgebaut.
Der Fluch nahm allerdings kein Ende. Sarahs Mann hatte zwar nichts begriffen, doch dann war wie aus dem Nichts diese Zeichnung seiner Frau aufgetaucht, und er hatte angefangen, Fragen zu stellen. Sogar den Scotch hatte er für eine Weile beiseitegestellt. Schließlich hatte der versoffene Angelologe Zanolla vor ein paar Wochen in Rom ausfindig gemacht und telefonisch kontaktiert.
Er hatte dem verwirrten Professor mitfühlend zugehört und ihm für die weitere Ermittlung zu einem Privatermittler geraten, einem renommierten Unternehmen, das es in Wahrheit gar nicht gab.
Zanolla hatte Kublicki engagiert und ihn dann Scrimgeour empfohlen.
Dabei war Scrimgeour noch das kleinere von zwei Übeln gewesen, denn parallel zu dem Professor hatte ausgerechnet Sarah Cibans Bruder nach dieser päpstlichen Privataudienz angefangen, ihm auf die Pelle zu rücken. Das hätte nun wirklich ungut ausgehen können. Zanolla hatte überlegt, wie sich der Kardinal am besten ausschalten ließe, und die beiden Fälle am Ende miteinander kombiniert.
Zanolla hatte Kublicki einmal mehr engagiert. Nun gut, die Angelegenheit in der Kirche war nicht ganz reibungslos verlaufen, doch ganz gleich was von nun an geschah, Ciban würde die Klinik auf gar keinen Fall lebend verlassen. Und diese Miss Marple spielende Nonne erst recht nicht. Auf ihn selbst wartete ohnehin eine neue Identität.
Zanolla blickte auf die Uhr. Nicht ganz sechzig Sekunden waren vergangen. Er gab der Nonne noch genau fünf Minuten. In der Zwischenzeit überprüfte er noch einmal Cibans Zustand und die manipulierten Geräte.
85.
Catherine hatte das Wunder vollbracht, ohne Strafzettel auf das Klinikgelände zu gelangen. Sie parkte ihren Fiat so nahe wie möglich vor dem Gebäudekomplex, in dem Ciban untergebracht war, und eilte auf den Haupteingang zu. Fünf Minuten Verspätung! Sie verdrängte den Gedanken, was in diesen fünf Minuten schon alles geschehen sein konnte.
Mit flotten Schritten betrat sie den Eingangsbereich, wo ihr die Empfangsdame freundlich zunickte. Mit etwas gemäßigterem Tempo steuerte Catherine auf die Aufzüge zu. Sie durfte
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