Engelspakt: Thriller (German Edition)
jetzt nicht durch zu große Eile und Hektik auffallen.
Die Fahrt in den obersten Stock kam ihr wie eine Ewigkeit vor, zumal der Lift mehrmals anhielt, um Passagiere ein- oder aussteigen zu lassen. Am liebsten hätte Catherine die Leute einfach hinausgejagt, aber dann hätte man sie vermutlich umgehend in den psychiatrischen Flügel eingeliefert, und das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Sie holte tief Luft, als die Tür zum oberen Stockwerk endlich aufging. Es war Abend, daher war der Gang so gut wie leer. Keine Patienten, kein Arzt, nur zwei der unermüdlichen Krankenschwestern waren in Sicht. Da kam jene Schwester, der Catherine auch die letzten Male schon begegnet war, aus einem der Zimmer im hinteren Flurbereich heraus und grüßte sie.
»Doktor Asensi ist noch im OP, falls Sie ihn sprechen wollen. Aber gehen Sie ruhig schon in Kardinal Cibans Zimmer. Doktor Zanolla ist bereits dort und wartet auf Sie.«
Dr. Zanolla wartete auf sie? Was hatte dieser Mistkerl Asensi und der Krankenschwester da bloß für eine Lüge aufgetischt? Dass er ein guter Bekannter von ihnen sei?
»Danke.« Catherine rang sich ein Lächeln ab. »Ich wollte sowieso nur kurz nach Seiner Eminenz sehen.«
»Es geht ihm schon viel besser«, sagte die Krankenschwester fröhlich und war auch schon wieder im nächsten Patientenzimmer verschwunden.
Catherine wandte sich in die andere Richtung des Flures. Es kam ihr vor, als bewege sie sich unter Wasser, wie in Zeitlupe. Wie leicht es für Zanolla gewesen war, über Dr. Asensi zu Ciban vorzudringen.
Im Laufen registrierte sie, dass der vatikanische Wachposten verschwunden war. Zanolla hatte offenbar an alles gedacht. Endlich stand sie vor der schweren Krankenzimmertür. Ihr Herz raste. Irgendwie zwang sie sich zur Ruhe und schaltete das kleine Diktiergerät in der Brusttasche ein. Dann packte sie den Türgriff und drückte ihn entschlossen nach unten.
86.
Zanolla stand direkt neben Cibans Bett, kein bisschen ungehalten über Catherines Verspätung. Selbst das hatte er also bereits in sein Vorhaben eingeplant, wie sie sofort begriff. Sie hätte sich ohrfeigen können, denn ihr erster Blick ging wie von selbst zu Ciban, ohne dass sie es hätte unterdrücken können. Er schlief, war blass und schien kaum zu atmen, doch die Maschinen liefen wie gewohnt und zeigten wohl auch normale Werte an. Trotzdem stimmte irgendetwas nicht.
»Schön, dass Sie so schnell vorbeikommen konnten, Schwester. Auf mich wartet nämlich noch eine Menge Arbeit.« Zanolla grinste breit und machte einen Schritt von Ciban weg auf sie zu. Dann stutzte er. »Wollten Sie mir nicht etwas mitbringen?«
»Nicht so schnell, Herr Doktor. Erst will ich sehen, wie es Seiner Eminenz geht.«
Erneut wanderte ihr Blick zu Ciban. Auch wenn sie dieses Geheimnis für sich behalten hatte, seit dem Energietransfer spürte sie neben den Reminiszenzen auch Cibans Aura, wenn er in der Nähe war. Sie nahm also in ihrem Innern einen Hauch seiner Präsenz wahr, wenn auch nur schwach. In diesem Moment spürte sie allerdings so gut wie gar nichts. Sie machte einen Schritt auf das Bett zu, aber Zanolla versperrte ihr den Weg.
»Erst den Brief, Schwester.«
»Zuerst will ich sehen, wie es ihm geht.«
Zanolla deutete mit gönnerhafter Geste auf die Apparaturen. »Es geht ihm gut. Das sehen Sie doch.«
Catherine blickte von den Geräten zu Zanolla zurück. Irgendetwas beunruhigte sie kolossal. Wenn ihr eines klar war, dann die Tatsache, dass das Spiel aus war, sobald Zanolla den Brief in Händen hielt. Dann würde er sich aus dem Staub machen. Davon abgesehen würde er weder Ciban noch sie lebend davonkommen lassen. In dem Fall gäbe es keinerlei Beweise mehr gegen diesen Mann. Sie musste daher auf Zeit spielen.
»Was ist eigentlich dran an Alan Scrimgeours Anschuldigungen?«
Zanolla starrte sie mit seinen tiefliegenden Augen an. »Sie haben offenbar wirklich keine Ahnung, Schwester?«
Es durchlief Catherine eiskalt. Zanollas Stimme troff plötzlich von Durchtriebenheit.
»Mir ist klar, dass Sie Alan Scrimgeour und Robert Martini auf dem Gewissen haben. Ebenso, dass alles anfing, als Sarah Ciban die Patientin von Doktor Scelpa wurde. Vermutlich haben Sie also auch Ihren Kollegen umgebracht.«
Zanolla schüttelte den Kopf und verzog leicht das Gesicht. »Den springenden Punkt erkennen Sie nicht, Schwester. Oder Sie wollen ihn nicht erkennen.«
»Der springende Punkt ist, dass Scrimgeour Sie um Hilfe gebeten hat und Sie seine unselige
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