Engelspakt: Thriller (German Edition)
Zahlencode auf ein Stück Papier, und nachdem Rinaldo sich die Ziffernfolge eingeprägt hatte, warf er die Notiz in einen Aktenvernichter, der nichts als Staub von den ihm anvertrauten Dokumenten übrig ließ.
Rinaldo nahm den Ordner mit einer gewissen Ehrfurcht entgegen. »Was ist das, Eminenz?«
Der Präfekt sagte unumwunden: »Das ist ein Ordner aus dem Schwarzen Archiv. Einer der Gründe, die mich dazu veranlasst haben, meine Kandidatur zurückzuziehen. Der Inhalt ist nicht sehr umfangreich, und es handelt sich ausschließlich um Kopien. Die Originale sind zum Teil siebenhundert Jahre alt und, wie es aussieht, hochbrisant. Lesen Sie sich die Dokumente in Ruhe durch und teilen Sie mir anschließend Ihre Einschätzung mit.«
Rinaldo starrte den Präfekten kurz an. Noch nie hatte er von einem Schwarzen Archiv gehört. Dann verabschiedete er sich, ging auf direktem Weg in sein Büro, schloss die Tür hinter sich ab, zog die Vorhänge zu und legte den schwarzen Ordner auf seinen großen, alten Schreibtisch. Nach dem Gespräch mit dem Kardinal wirkte das Schwarz des Ordners im Halbdunkel auf dem Schreibtisch, als wäre es ein Teil des schwarzen Stoffes von Cibans Robe. Unwirklich, unheimlich, alles Licht verschlingend, nicht von dieser Welt.
Dann hatte Rinaldo ein großes Glas Wasser getrunken, das Zahlenschloss geöffnet und den mysteriösen Inhalt des Ordners studiert. Nachdem er damit fertig war, hatte er tief Luft geholt, war aufgestanden, hatte die Vorhänge zurückgerissen und die beiden Flügel seines Fensters aufgestoßen, nur um sicherzugehen, dass die Welt dort draußen überhaupt noch existierte.
Mit einem verstohlenen Blick auf den Schreibtisch hatte er sich gefragt, inwieweit Seine Heiligkeit Papst Leo in die Existenz dieser vatikanischen X-Akte eingeweiht war. Hatte Bischof Tardini deshalb diese ungeheure Andeutung gemacht, als er zu ihm sagte, er fische in tiefen und trüben Gewässern? Hatte er damit das Schwarze Archiv gemeint? Nach einer Weile verstaute Rinaldo alles wieder in dem schwarzen Ordner, sicherte ihn mit dem Schloss und machte sich erneut auf den Weg zum Büro des Kardinals.
Ciban wirkte nicht überrascht, seinen Untersekretär so schnell wiederzusehen. Kaum hatte Rinaldo auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz genommen, fragte er: »Was denken Sie, Monsignore?«
»Dass das unmöglich der einzige Ordner zu dieser Angelegenheit sein kann.«
Rinaldo hatte den inquisitorischen Kardinal noch nie lachen gehört, aber so unglaublich es war, Ciban lachte, und es klang so sympathisch und herzhaft, dass es dem jungen Monsignore angesichts seiner unwillkürlichen Antwort die Schamesröte ins Gesicht trieb.
»Entschuldigen Sie, wenn ich …«
Der Präfekt winkte ab. »Nein, nein, ist schon gut. Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.« Er wurde wieder ernst. »Es gibt noch zwei weitere Ordner, die sich zurzeit bei Seiner Heiligkeit befinden. Die Unterlagen in dem einen befassen sich mit einem noch düstereren Aspekt dieses Falls, auch wenn es bisher nicht viel ist, was wir herausgefunden haben. Der andere Ordner beinhaltet einige weitere Daten, die sich mit Funden in Äthiopien beschäftigen. Ich muss Ihnen jedoch gestehen, dass dies nur ein Fall von vielen ist, die wir momentan bearbeiten. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen.«
Ciban erhob sich und ging zur Tür, wohin Rinaldo ihm mit einer Mischung aus Neugier und Unbehagen folgte.
Sie tauchten in die tiefsten und hintersten Winkel des Geheimarchivs ab, in jene Bereiche, die schon Papst Johannes XXIII. vor über einem halben Jahrhundert auf der Suche nach der Wahrheit aufgesucht hatte. Damals war es, wie Ciban ihm nun erklärte, um das letzte Geheimnis der Fatima-Prophezeiung gegangen. Sie liefen durch Gänge, die Rinaldo als Untersekretär nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Dann öffnete Ciban eine schwere Stahltür, und ein tresorartiger Raum tat sich vor ihnen auf. Sie passierten einen weiteren langen Gang, bogen nach rechts in einen großen Raum ab und blieben vor mehreren mächtigen verschlossenen Stahlschränken stehen. Einen davon öffnete der Kardinal nun, und Rinaldo blickte auf die Rücken etlicher pechschwarzer Ordner, optisch identisch mit jenem Exemplar, dessen Inhalt er gerade erst studiert hatte.
»Das hier sind alles Fälle aus unserer fernen, nicht immer löblichen Vergangenheit. Jeder einzelne reicht bis in die Gegenwart und könnte uns sogar noch in der Zukunft gefährlich werden.«
Ciban blickte Rinaldo
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