Engelspakt: Thriller (German Edition)
die Aufzugstür sich schließlich öffnete, traten sie in einen dämmrigen Gang hinaus. Er grenzte an jenen hohen Flur, der sie zum legendären Damasushof hinter dem Apostolischen Palast führte. Es war Mittag, und es regnete stark. Tatsächlich war es so düster, dass es auch Abend hätte sein können. Das Kopfsteinpflaster des Hofes glänzte wie schweres, dunkles Metall.
Cibans Mobiltelefon läutete, doch er nahm das Klingeln zunächst nicht wahr, weil seine Augen für einen Moment in ihren versunken waren. Erst als Catherine den Blickkontakt unterbrach und auf seine Soutane starrte, griff er in die Innentasche und zog das Handy hervor.
»Bitte entschuldigen Sie mich kurz.« Er nahm das Gespräch an und hörte einige Sekunden lang zu.
Catherine trat unter das Vordach und spähte in den Regen, während die Gedanken nur so durch ihren Kopf wirbelten. In Chicago waren die Regengüsse wesentlich stürmischer als hier. Genau so ein Sturm tobte gerade in ihrem Inneren. Ciban war ein solch kolossales Rätsel. Ein Rätsel, das sie so magisch anzog, dass sie fast ihren Status als Ordensfrau vergessen hätte. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie über das Stadium des hormonell bedingten Hirn- und Magenflatterns hinaus war. Das war längst keine Verliebtheit mehr, gegen die sie da ankämpfte. Was sie gerade fühlte, konnte und durfte einfach nicht sein!
»Danke«, hörte sie Ciban wie aus weiter Ferne sagen. »Nein, ich komme heute nicht mehr in den Palast zurück. Ich werde zu Hause weiterarbeiten. Eines noch: Bruder Anselmus soll sich gleich morgen früh bei mir melden.«
Der Kardinal unterbrach die Verbindung und drehte sich zu ihr um, wobei sich seine markanten Gesichtszüge zu einem überraschend jungenhaften Lächeln entspannten. »Mein Wagen steht gleich hier um die Ecke. Wenn Sie es erlauben und sofern Sie hier nichts mehr zu erledigen haben, fahre ich Sie gerne nach Hause. In allen Ehren versteht sich.«
»Danke, Eminenz. Ich würde Ihr Angebot gerne annehmen, aber ich halte es zu diesem Zeitpunkt für keine gute Idee.«
»Ich verstehe.«
Catherine bezweifelte, dass er wirklich verstand. Und sie war in diesem Moment unendlich dankbar dafür. Der Duft seines Aftershaves wehte noch immer durch ihr Bewusstsein.
»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«, fragte Ciban.
»Nein, danke. Ich brauche jetzt einfach nur ein bisschen frische Luft. Ich werde zu Fuß nach Hause gehen.«
»Dann warten Sie bitte einen Moment. Ich habe einen Schirm im Wagen.«
Er verschwand und war binnen einer halben Minute mit einem großen schwarzen Regenschirm zurück. Kleine, glänzende Wassertropfen fielen aus seinem kurzen Haar auf die schwarze Robe. Er deutete in den Regen, der sich verstärkt hatte. »Sie wollen es sich nicht doch noch mal überlegen?«
Lieber nicht, dachte sie, und sagte: »Ich brauche jetzt wirklich einen klaren Kopf.«
Er reichte ihr den Schirm, wobei er sie fast berührte. »Hier. Passen Sie auf sich auf.«
Es war Catherine unerklärlich, wie dieser Mann es schaffte, all die widersprüchlichen Gefühle in ihr zu entfachen. »Danke. Sie auch.«
Sie drückte auf den Knopf am Griff, und der Schirm spannte sich zwischen ihnen auf. Dann drehte sie sich um. Nein, sie würde nicht noch einmal zu ihm zurücksehen. Ihr Herz raste, als wollte es den letzten Rest Verstand aus ihr heraushämmern. Was sie jetzt brauchte, war vor allem und in jeder Hinsicht Distanz.
So schnell sie konnte, eilte sie über den Hof und durch die vielen Unterführungen Richtung Petersplatz davon. Als sie die Kolonnaden passierte, bedauerte sie jedoch aus einem tiefen Gefühl heraus, Cibans Angebot nicht angenommen zu haben. Und als sie kurz darauf klatschnass den Campo de’ Fiori überquerte, verfluchte sie zum ersten Mal in ihrem Leben aus persönlichen Gründen das Zölibat.
14.
Ciban blickte Catherine nach, bis sie im Schatten der ersten Unterführung verschwunden war, während er versuchte, das eben Geschehene zu begreifen. Beinahe hätten sich ihre Hände berührt. Catherine war der Berührung in letzter Sekunde ausgewichen, so wie er damals ihrer Sondierung während eines päpstlichen Empfangs in letzter Sekunde ausgewichen war. Er hatte es beim besten Willen nicht riskieren können, dass sie auch nur einen einzigen Blick auf seine Aura warf. Ganz gleich wie begabt sie war, sie hätte in ihm ganz sicher eine Bedrohung gesehen.
Vielleicht war er das sogar. Eine Bedrohung. Auch wenn Darius da anderer Meinung gewesen war. Es gab Momente, in
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