Engelspakt: Thriller (German Edition)
den Torquemada-Unterlagen?«
Die unerwartete Aktion löste in Catherine ein ziemlich heftiges Unbehagen aus. »Ja. Jene Unterlagen, die aus dem Ordner von Bruder Anselmus verschwunden sind.«
Ciban starrte sie an. »Wann ist das passiert?«
»Heute Nachmittag.«
»Was hat Bruder Anselmus dazu gemeint?«
Catherine runzelte die Stirn, während ihr eine peinliche Erkenntnis kam. »Demnach haben gar nicht Sie die Unterlagen beschlagnahmt?«
Ciban blieb ihr die Antwort schuldig. »Was hat Bruder Anselmus gesagt?«
»Nichts.« Sie konnte gerade noch verhindern, dass sie anfing zu stottern. »Ich habe ihn noch nicht erreicht. Bruder Albert sagte, seine Arbeitskraft werde an anderer Stelle gebraucht.«
Ciban schwieg nachdenklich. Mehrere Minuten schienen zu vergehen, ohne dass er es in Erwägung zog, den Aufzug wieder in Gang zu setzen.
Catherine lenkte sich ab, indem sie ihn unauffällig musterte, wobei sich ihr Puls leicht beschleunigte. Kardinal Benellis Bemerkung fiel ihr wieder ein, unmittelbar vor dessen Selbstmord, als er zu ihr und Ciban gesagt hatte, letztendlich stelle nicht der Verstand, sondern das Herz eine Verbindung zu seinesgleichen her. Was hatte er damit nur gemeint? Hatte er Catherines inneren Zwiespalt etwa schon damals vorausgesehen?
Was immer Benelli angedeutet hatte, es entbehrte in ihrem und Cibans Fall jeder Realität. Also versuchte sie wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und das bedeutete auch, Ciban ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Vor etlichen Wochen hatte er ihr angeboten, ihn privat mit seinem Vornamen anzusprechen, nun entschied Catherine, das erste Mal davon Gebrauch zu machen.
»Was ist so Besonderes an diesen Torquemada-Unterlagen, Marc?«
Cibans eben noch nach innen gerichteter Blick ruhte nun auf ihr.
»Ich bin mir nicht sicher, aber diese dritte, uns unbekannte Macht … Wie es aussieht, war Torquemada ihr bereits vor Jahrhunderten auf der Spur.«
»Daran ist Kardinal Gasperetti in Wahrheit interessiert, oder?«
Ciban nickte. »Ich fürchte, ja.«
»Wieso … fürchten?«
»Glauben Sie an Engel, Catherine?«
»Ich bin eine Ordensfrau.« Für eines ihrer früheren Bücher hatte sie das eine oder andere über die Engelmythologie und -hierarchie gelesen, trotzdem war sie weit davon entfernt, eine Expertin in Angelologie zu sein. Und nun fragte der Kardinal sie, ob sie an Engel glaubte?
Nachsichtig hob Ciban eine Braue. » Ja oder nein .«
»Ja, in gewisser Weise. Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Gasperetti hinter«, sie stockte und starrte ihn an, »Engeln her ist?« Das war so ziemlich das Verrückteste, was sie seit einem Jahr gehört hatte.
»Im Prinzip ja.« Er betätigte den Knopf in der Konsole, ohne sie aus den Augen zu lassen. Mit einem leichten Ruck und kurzer Verzögerung setzte die Transportkabine sich wieder in Bewegung. »Er weiß es nur noch nicht. Und das macht die ganze Angelegenheit für ihn und Sie so gefährlich.«
Jetzt spürte sie erst recht, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Was meinen Sie damit?«
»Ihre Gabe. Darius hat Sie gelehrt, diese zu kontrollieren. Gasperetti hingegen will aus Ihnen eine Jägerin machen.«
Catherine trat mit einem einzigen Schritt auf Ciban zu, streckte den rechten Arm aus und drückte den Halteknopf erneut. Dabei nahm sie den warmen, geheimnisvollen Duft seines Aftershaves wahr. Der Aufzug hielt mit einem heftigen Ruck.
»Ich denke, Sie schulden mir eine Erklärung, Eminenz!«
Ciban sah ihr in die Augen. »Ich schulde Ihnen gar nichts, Catherine. Trotzdem haben Sie natürlich eine Erklärung verdient und werden sie auch bekommen. Jedoch nicht hier und nicht jetzt.«
»Und wann, wenn ich fragen darf?«
Ciban seufzte. »In den nächsten Tagen. Ich bin nicht Ihr Feind.«
Die letzte Äußerung nahm zumindest ihrer Wut den Wind aus den Segeln. Ihr Freund Ben Hawlett hatte vor einem Jahr exakt den gleichen Satz im Hinblick auf Ciban gesagt, und zwar unmittelbar nach Catherines Anhörung vor der Glaubenskongregation und Benellis Tod. Damals war sie äußerst ungehalten geworden, diesmal hingegen verschlug ihr der Satz aus Cibans Mund, verbunden mit der Erinnerung, glatt die Sprache.
Ciban deutete zum Schalter. »Darf ich?«
Sie nickte, und er drückte den Knopf erneut. Diesmal sprang der Aufzug nicht sofort an. Catherine zählte in Gedanken. Einundzwanzig … zweiundzwanzig … dreiundzwanzig …
Sie wechselten einen kurzen Blick, dann noch einen. Endlich setzte der Lift seinen Weg sanft ruckelnd fort.
Als
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