Engelspakt: Thriller (German Edition)
denen war er von seiner Gefährlichkeit überzeugt. Denn so wie seine Mutter das Licht in der Familie verkörpert hatte, so stand sein Vater für die Dunkelheit. Ob er es wollte oder nicht, er hatte die Dunkelheit seines Vaters geerbt, jene eiserne Kraft und Autorität, die nötig waren, um ein Gebilde wie die Kirche als Präfekt der Glaubenskongregation unter Kontrolle zu halten. In seltenen Fällen ließ er diese brutale Energie an die Oberfläche treten, etwa dann, wenn er Männer wie Gasperetti in ihre Schranken verweisen musste.
Ciban trat zu seinem Wagen, blickte noch einmal in den Himmel, als hoffe er, durch den Regen endlich wach zu werden, und stieg ein. Kaum hatte er den Wagen gestartet, erklang das erste Klavierkonzert von Brahms. Er aktivierte die Scheibenwischer und schaltete den MP 3-Player aus. Sosehr er Brahms schätzte, die selbstquälerische Schwermut seiner Musik war im Augenblick so ziemlich das Letzte, wonach ihm der Sinn stand. Während der Fahrt zu seiner Wohnung dachte er unaufhörlich an Catherine und daran, dass auch sie dieses magische Licht in sich trug. Als wäre er eine Motte, fühlte er sich zu diesem Licht hingezogen, und wie eine Motte konnte er sich daran die Flügel verbrennen und zugrunde gehen. Dennoch würde er es unter keinen Umständen zulassen, dass Gasperetti oder irgendjemand anders Catherines Licht zum Erlöschen brachte.
Als er den Tiber überquerte, wusste er in etwa, wie er Catherine am besten vor Gasperettis neu entfachter Paranoia schützen konnte, ohne dabei selbst zur Zielscheibe des Lux zu werden. Rein theoretisch war er zwar seit einigen Jahren der Chef des Lux und Gasperetti somit sein Stellvertreter, doch er hatte keineswegs vor, den kleinen Kardinal mit dem Eierkopf und der Pomade im Haar zu unterschätzen und womöglich noch auf den richtigen Pfad zu lenken. Es wäre schon fatal genug, sollte Gasperetti tatsächlich hinter der Entwendung der Torquemada-Unterlagen stecken. Ciban glaubte zwar nicht, dass das Recherchematerial etwas über die Triaden enthielt, trotzdem würde der Diebstahl zeigen, wie hartnäckig Gasperetti Catherine und ihn im Auge behielt. Entweder wollte der alte Kardinal Catherine damit unter Druck setzen, oder aber er war tatsächlich Cibans Nachforschungen im Hinblick auf die Triaden auf der Spur. Beides war denkbar, und beides war denkbar unangenehm. Es war, als hätte man die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Ciban holte tief Luft. Über kurz oder lang würde er Catherine in seine Triadenforschung einweihen müssen. Nicht zuletzt um sie zu schützen, denn man konnte sich nur dann vor einem Gegner in Acht nehmen, wenn man von ihm wusste.
Er bog in die Via del Governo Vecchio ein und fuhr in die neu angelegte Tiefgarage, die mehrere bewachte Appartementhäuser miteinander verband. Seine Wohnung lag gleich um die Ecke an der Piazza Navona, die an den Campo de’ Fiori angrenzte, wo Catherine zu Hause war. Im Grunde wohnte er nur einen Steinwurf von ihr entfernt. Antiquitätengeschäfte, Handwerksläden und Restaurants sorgten neben den Renaissance-Gebäuden und den umliegenden Kirchen für eine sagenhafte Atmosphäre. Er griff nach seiner Aktentasche, verließ den Wagen und nahm den Aufzug, der ihn zu seiner Wohnung brachte.
Außerhalb von Rom besaß der Clan der Cibans eine beeindruckende Villa, aber die war seit dem Tod von Cibans Schwester vor über zehn Jahren so gut wie unbewohnt. Irgendwann hatte Kardinal Benelli die Villa angemietet, Catherine in die Mordserie an den Ordensgeistlichen verwickelt und sich schließlich in dem Anwesen das Leben genommen. Seither gedachte Ciban nicht, es noch einmal zu vermieten. Es war, als lastete ein Fluch darauf. Tatsache war, dass die Villa über mehrere Jahrhunderte hinweg der Sitz seines steinreichen Familienclans gewesen war und somit Geheimnisse barg, die noch heute das Gerücht nährten, die Cibans seien zu machtvoll, um ihnen wirklich vertrauen zu können.
Darius hatte sich nie an diesem Gerücht gestört. Er war oft zu Gast bei ihnen gewesen, hatte mit Cibans Vater Schach gespielt und dem brillanten Klavierspiel seiner Mutter gelauscht. Darius schien immer gewusst zu haben, was richtig war und was falsch, ebenso wie Cibans Mutter.
Ciban öffnete die hohe Appartementtür und stand am Fuß eines Treppenaufgangs. Seine Wohnung nahm das gesamte dritte und vierte Stockwerk ein. Den Haushalt führte ihm eine ältere Nonne, Schwester Giada, deren Diskretion er absolut vertraute. Als er die
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