Engelspakt: Thriller (German Edition)
untergehen. All das war dem Mann völlig egal. Er trat hinaus auf die Terrasse und stellte sich mitten in den Schauer. David blickte dem Verrückten nach, während er sich fragte, welche seiner Beobachtungen für den Doktor wohl die wichtigere war. Das alte Buch von Charles Cutler Torrey aus dem Jahre 1930 oder das Porträt der Frau auf dem Kaminsims, das ihn selbst so berührte? Er tippte auf das Buch und gedachte, die Information nicht ohne weiteres preiszugeben.
Während David beobachtete, wie der kalte Regen den Mann mit den wirren Haaren völlig durchnässte, entspannte er sich, konzentrierte sich auf die Rückkehr und trat schließlich vorsichtig aus der Wirklichkeit des Bildes heraus. Kaum war er in die Realität der Iso-Kammer zurückgekehrt, spürte er durch die Spiegelwand den Blick des Doktors auf sich ruhen.
»Was hast du gesehen, David?«, fragte Zanolla.
David blickte von der Fotografie auf dem Tisch auf und drehte sich in seine Richtung. Statt eine Antwort zu geben, fragte er: »Wo ist Aaren?«
Die darauf folgende Stille schien eine Ewigkeit anzuhalten. Dann sagte der Doktor: »Hast du … Aaren während der Sondierung gesehen?«
David spürte die Gefährlichkeit der Frage, wandte den Blick jedoch nicht von dem Spiegelglas ab. »Nein. Aber ich vermisse sie.«
»Aaren ist auf einer langen Reise, mein Junge«, erklärte der Doktor ruhig. »Es geht ihr gut. Du musst dir keine Sorgen um sie machen.«
Tief in seinem Innern wusste David, dass die Worte des Doktors nicht der Wahrheit entsprachen. Daraus zog er seine Konsequenzen, als der Doktor seine Frage wiederholte. »Was hast du gesehen, David?«
»Ich habe gesehen, wie dieser Mann im Regen stand und sich völlig betrunken mit einem Revolver das Leben nehmen wollte.«
»Wollte?«
Wenn David etwas immer weniger ausstehen konnte, dann war es dieser süßliche Singsang in der Stimme des Doktors, diese vorgetäuschte Freundlichkeit, hinter der nicht einmal ein Funke Mitgefühl steckte. »Die Waffe hat nicht funktioniert.«
Für einen quälend langen Augenblick herrschte erneut eine unheimliche Stille hinter der Spiegelwand. Kaufte der Doktor ihm die Geschichte ab? Egal, David ging aufs Ganze.
»Was hast du sonst noch gesehen, mein Junge?«
David blickte auf die Fotografie und sagte: »Zwei goldene Ringe – und nichts als Regen.«
13.
Catherine hatte ganze zwölf Minuten gebraucht, um den Treffpunkt in den Archiven zu finden. Es war eine Sache, mit Bruder Anselmus als kundigem Pfadfinder zwischen den vollen Regalfluchten zu wandeln, und eine ganze andere, allein dort umherzuirren. So gut kannte sie sich nach einem Jahr in Rom hier unten nun auch wieder nicht aus. Ciban erwartete sie natürlich bereits, und als der Blick seiner kühlen, ruhigen Augen sie traf, setzte sofort wieder dieses unmögliche Magenflattern bei ihr ein.
Der gestrenge Kardinal war Anfang fünfzig, wirkte aber etliche Jahre jünger. Meist hatte er einen eleganten Priesteranzug oder eine schlichte schwarze Soutane an, doch heute trug er einen schwarzen Talar mit purpurnen Borten und Knöpfen sowie eine rote Schärpe, wobei das purpurne Scheitelkäppchen auf dem kurzen silbergrauen Haar etwas derangiert war. Darüber hinaus bemerkte Catherine Spuren von Sand und Erde an seinen Schuhen. War Ciban etwa querfeldein durch die Vatikanischen Gärten hierher geeilt?
»Ich habe gerade ein interessantes Telefonat mit einem meiner Mitarbeiter geführt«, erklärte der Kardinal.
Längst stand der kleine Störsender, den Ciban stets bei sich trug, auf dem Stehpult, damit kein ungebetener elektronischer Lauscher mithören konnte.
»Sicher erinnern Sie sich noch an unser Gespräch mit Seiner Heiligkeit von letzter Woche, in dem es um die Auswirkungen des geplanten Konzils auf das Opus und das Lux ging – und um jene geheime Macht, die beide zu manipulieren scheint. Allem Anschein nach ist Kardinal Gasperetti fest entschlossen, dieser unbekannten Größe auf den Grund zu gehen.«
»Hat er sich konkret dazu geäußert, Eminenz?«, fragte Catherine nach einer kurzen Pause.
Ciban schüttelte den Kopf. »Wie Sie wissen, ist Gasperetti ein Geheimniskrämer. Er scheint aber einen privaten Feldzug gestartet zu haben. Und er hat Sie dabei als Werkzeug im Visier.«
Catherine bemühte sich, Ciban nicht anzustarren. Ganz offensichtlich wusste der Präfekt von ihrem Aufeinandertreffen mit Gasperetti vor der Villa Borghese.
»Sie lassen mich überwachen?«
Ciban seufzte. »Nein, Schwester. Aber
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