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Engelspakt: Thriller (German Edition)

Engelspakt: Thriller (German Edition)

Titel: Engelspakt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
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übertragenen Bedeutungen sprachen, von Archetypen und vielem mehr.
    »Der Junge nennt es Inferno«, erklärte der Doktor schlicht. »Er hat es unmittelbar nach seiner ersten Sondierung gemalt.«
    »Aha«, wiederholte Ambrose dumpf, während er sich fragte, weshalb Zanolla einen einfachen Aufseher wie ihn hierhergeführt hatte. Drei Ebenen tiefer tobte höchstwahrscheinlich ein ganz anderes Inferno. Ambrose meinte plötzlich, das verbrannte Fleisch aus dem Krematorium bis hierher zu riechen. Aus einem Impuls heraus fragte er: »Was ist mit den Augen auf all diesen Bildern?«
    Zanolla schien sich erst vom Anblick des Infernos losreißen zu müssen, bevor er antworten konnte: »Unser Psychologenteam hat sie stets als die Augen des Jungen interpretiert. Alle Augenpaare in den Bildern sehen gleich aus. Der Junge ist sozusagen der Beobachter.«
    Wie hypnotisiert starrte Ambrose auf das Bild, bis Zanolla ihm den Blick versperrte.
    »Ein guter Rat, Ambrose, betrachten Sie keines der Bilder länger als zwei Minuten, wenn Sie einen schmerzhaften Psychotrip vermeiden wollen. Glauben Sie mir, wenn Sie lange genug in den Abgrund blicken, blickt der Abgrund irgendwann in Sie zurück.«
    Ambrose blinzelte verwirrt, so wie es der Doktor wohl von einem einfachen Aufseher erwartete. »Und das heißt?«
    »Sie könnten Ihren Verstand verlieren.«
    »Warum zeigen Sie mir diese Bilder, Doktor Zanolla? Was habe ich damit zu tun? Sie wissen, ich will hier einfach nur meinen Job machen.«
    Der Doktor setzte ein breites Lächeln auf. »Das weiß ich, Ambrose. Aber ich möchte Sie um einen kleinen Gefallen bitten, der Sie des Öfteren mit solchen Bildern konfrontieren wird.«
    Ambrose ahnte, worauf der Doktor hinauswollte, noch ehe dieser seine Bitte laut ausgesprochen hatte. Fast hätte er einen erleichterten Seufzer ausgestoßen, weil es nicht um das Krematorium ging.
    »Ich brauche einen Mittler«, sagte Zanolla beinahe freundlich. »Tun Sie mir den Gefallen und freunden Sie sich mit David an.«

FLEISCH UND BLUT

17.
    Als Kardinal Ciban die von zwei Totenschädeln flankierte Eingangspforte der Santa Maria dell’ Orazione e Morte passierte, hatte er das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Der Innenraum der kleinen Kirche war vom diffusen Licht unsichtbarer Leuchten erhellt. Draußen hallte ein dumpfes Grollen wie abgrundtiefe Trauer durch die Nacht. Seit dem späten Nachmittag hatte es nicht aufgehört zu regnen, und jetzt blitzte und donnerte es auch noch.
    Ciban schritt durch den Mittelgang, setzte seinen Weg durch das Zwielicht fort und warf einen kurzen Blick auf das organisch anmutende Geflecht der dunklen Kuppel. Hinter ihm ragte in der Höhe die wie in schwindendes Gold getauchte Kirchenorgel auf. Er kannte die Kirche seit seiner Kindheit. Die morbiden Knochensymbole der Santa Maria dell’ Orazione e Morte hatten ihn und Sarah für den Rest ihres Lebens daran erinnern sollen, dass selbst der Tod ein Engel war. Zwei der Symbole waren ihm dabei in ganz besonderer Erinnerung geblieben: das vom Tod in der Gestalt eines menschlichen Skelettes bewachte Weihwasserbecken und jene kunstvolle Außentafel, die zeigte, wie der Tod in Gestalt eines Knochenmanns mit einem Stundenglas in der Hand auf den letzten Atemzug eines Dahinsiechenden wartete. Darauf die Inschrift: »Almosen für die armen Toten, die im Land gefunden wurden«. Die Inschrift war jahrhundertealt, der Einwurf für die kärgliche Spende schon mehrere Male brutal aus dem Stein herausgebrochen worden. Sarah hatte sich zum Wohlgefallen ihres Vaters auf fast magische Weise von diesem Ort angezogen gefühlt. Manchmal hatte Ciban als kleiner Junge geglaubt, es bestehe ein dunkler Pakt zwischen seiner Schwester, ihrem Vater, dieser Kirche und dem Tod.
    Als er sich dem Altarbereich näherte, erblickte er davor eine einsame, in Schwarz gehüllte Gestalt. Allerdings war es nicht das Schwarz eines Priesters, sondern das eines Gelehrten. Der Körperhaltung nach zu schließen war die Gestalt ein Mann. Ein Mann, dessen rechte Hand leicht zitterte. Als der Fremde sich umdrehte, erkannte Ciban in ihm Alan Scrimgeour. Der Professor wirkte wie ein Gespenst.
    »Sie sind überrascht!«, stellte er mit Genugtuung fest, und eine leichte Alkoholfahne wehte zu Ciban hinüber.
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Setzen Sie sich, Eminenz. Wir haben einiges zu bereden.« In der Anrede lag ein Hauch von Verachtung.
    Ciban blickte in die wässrigen Augen Scrimgeours. Etwas Lauerndes lag darin. »Danke,

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