Engelspakt: Thriller (German Edition)
kurzes Schweigen, während Kublicki beobachtete, wie Millionen Regentropfen vom Himmel herab auf den Kirchenplatz fielen. Wohin auch immer Ciban sich geschleppt hatte, es war unwahrscheinlich, dass es eine verwertbare Blutspur gab.
Schließlich stellte die Stimme klar: »Scrimgeour darf auf gar keinen Fall reden.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Kublicki, obwohl dieser Satz nur eines bedeuten konnte.
»Beenden Sie es.«
»Und Ciban?«
»Überlassen Sie Ciban mir.«
Damit wurde die Verbindung unterbrochen. Während Kublicki das Handy in die Innentasche seiner Jacke zurücksteckte, fragte er sich, ob es klug gewesen war, den Auftrag überhaupt anzunehmen. Andererseits, womit sonst verdiente man so viel Geld auf einen Schlag?
Er drehte sich zu der düster glänzenden Kirchenfassade um, kehrte in die Sakristei zurück und schritt durch die verborgene Tür zum Hochaltar. Noch immer saß der Professor an die Bankreihe gelehnt da, gegen die Ciban ihn geschleudert hatte.
Kublicki streifte ein Paar Latexhandschuhe über, ging ohne Hast und ohne dass Scrimgeour ihn bemerkte, an der Blutlache vorbei zu dem Revolver, der noch immer zwischen den Bankreihen auf dem Boden lag, und hob diesen auf. Es war schon eine ganze Weile her, seit er das letzte Mal für Geld gemordet hatte.
Dann trat er seitlich hinter das Häuflein Elend, das einmal ein stolzer Cambridge-Professor gewesen war, und beugte sich mit der Waffe in der Hand vor.
Just in dem Moment, als der Revolver leise klickte, blickte Scrimgeour benommen auf. Doch es lag weder ein Funke Erkennen noch ein Hauch Begreifen in seinen Augen. Er schien völlig weggetreten.
»Bitte nehmen Sie es nicht persönlich«, sagte Kublicki in einem Anflug von düsterem Humor. Dann drückte er ab.
24.
Catherine schloss die Wohnungstür und versuchte das Blut auf dem Boden zu ignorieren. Dann wusch sie sich rasch die blutverschmierten Hände. Als sie das Kissen und die Decke beiseiteräumen wollte, erklärte Coelho: »Wir dürfen nichts verändern. Ein Reinigungsteam ist bereits unterwegs.«
»Danke, aber das wird nicht nötig sein.«
»Glauben Sie mir, Schwester, es wird nötig sein. Oder wollen Sie riskieren, dass man Blutspuren im Treppenhaus oder im Hausmüll findet?«
»Verzeihen Sie … ich …«
»Schon gut. Das ist schließlich meine Aufgabe.« Coelho blickte sich in der Diele um. »Zu wenig Blut, als dass Ihre Wohnung der Tatort sein könnte.« Er blickte sie an. »Seine Eminenz hat Sie gebeten, mich anzurufen. Hat er Ihnen auch gesagt, wer auf ihn geschossen hat und wo?«
»Nein. Er hatte das Bewusstsein verloren«, sagte Catherine schlicht.
Wie hätte sie Coelho auch begreiflich machen sollen, wie sie an seine geheime Telefonnummer gekommen war? Dass ihr Bewusstsein während des Todeskampfes irgendwie mit dem von Ciban verschmolzen war und sie plötzlich Erinnerungen und Gedanken in sich trug, die nicht die ihren waren? Gedächtnisbruchstücke, die sich nach und nach auflösen würden wie die Erinnerung an einen unheimlichen Traum.
Sie fühlte sich völlig ausgelaugt und wankte. Coelho reagierte sofort und stützte sie am Arm.
»Es ist nicht nötig, dass wir stehen. Kommen Sie, Schwester.«
Er brachte sie durch den offenen Durchgang ins Wohnzimmer, setzte sie auf die Couch, holte ihr ein Glas Wasser und nahm dann ihr gegenüber Platz.
»Ich weiß, es ist ein schwerer Schock, dennoch muss ich Ihnen diese Fragen stellen. Je mehr ich weiß, desto schneller werde ich den Täter finden und ihn seiner gerechten Strafe zuführen können. Bitte erzählen Sie mir noch einmal alles von Anfang an. Möglichst jedes Detail.«
Catherine stellte das Wasserglas ab. Was immer Coelho von ihr erwartete, es gab nicht viele Fakten zu berichten. Und was ihre Gabe anging, darüber konnte sie mit dem Chef der Vigilanza ebenso wenig sprechen wie über ihre Arbeit für den Papst oder Ciban oder die Interna des Lux Domini. Also erzählte sie ihm im Prinzip noch einmal die gleiche Geschichte wie am Telefon.
Coelho verbarg seine Enttäuschung nicht. Er schien überzeugt, dass sie etwas vor ihm verbarg.
»Hören Sie, Schwester, was der Vertrauensarzt da vorhin so verwundert gesagt hat … Für Dottore Falconi mag das Ganze ja ein Rätsel sein, für mich ist es das ganz gewiss nicht. Jedenfalls nicht so wie für unseren ehrenwerten Doktor.«
Catherine starrte den Kommandanten an. Hatte Ciban ihn etwa über ihre Gabe informiert? Oder hatte Coelho im letzten Jahr, als es darum ging, die
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