Engelspakt: Thriller (German Edition)
Iso-Kammer-Sitzungen generell drastisch herabsetzen. Die psychische wie physische Belastung ist immens. Außerdem wissen wir nicht, was der Junge wirklich alles in diesen Zuständen der Parallelexistenz in den Fotos sieht.«
Die durchdringenden wasserblauen Schweinsaugen des Doktors ruhten mit erbarmungsloser Härte auf dem Mediziner. Offensichtlich hatte der junge Arzt nicht nur recht, sondern er hatte in Ambroses Gegenwart auch noch eindeutig zu viel verraten.
Ambrose gab sich völlig unbeeindruckt, als wäre er definitiv zu unterbelichtet, um auch nur annähernd die Bedeutung des eben Gesagten zu verstehen. Er war Aufseher. Er behielt die Objekte im Auge und brachte sie von einem Ort zum nächsten. Ihn interessierte nicht, was hinter den Türen geschah. Das war der Eindruck, den der Doktor von ihm gewinnen sollte, und wie es aussah, funktionierte es. Doktor Zanolla entspannte sich wieder.
»Nun gut. Wir werden sowieso abwarten müssen, was mit dem Jungen geschieht. Lassen Sie ihn von nun an nicht mal eine einzige Sekunde aus den Augen!«
»Gewiss«, beeilte sich der Mediziner, mit leicht zitternder Stimme zu versichern. »David wird rund um die Uhr beobachtet.«
»Das wäre dann erst einmal alles«, erklärte der Doktor und gab durch ein Zeichen zu verstehen, dass sich seine drei Lakaien wieder an die Arbeit machen durften.
Als Ambrose mit der Tutorin und dem Arzt auf den Gang hinaustrat, kostete es ihn alle Selbstbeherrschung, das zerknitterte Zeitungsfoto in seiner Jacke nicht zu berühren.
Die Worte des Mediziners hallten in seinen Gedanken wider: »Wir wissen nicht, was der Junge wirklich alles in diesen Zuständen der Parallelexistenz in den Fotos sieht.«
Wie sollte Ambrose das verstehen? Was geschah in diesen Isolationskammern wirklich? Versetzten die Kammern David etwa in die Lage, in diese Fotos einzutauchen? Ambrose schüttelte innerlich den Kopf, trat in den Aufzug und drückte die Taste für sein Stockwerk, ebenso wie die Tutorin und der junge Arzt es taten. Es fiel kein Wort. Es gab keinen Blickkontakt.
Iso-Kammern, Fotos, Parallelexistenzen … Das klang doch alles völlig absurd. Und trotzdem … die Isolationskammern existierten. Genau wie die Fotos existierten.
Lag David etwa im Koma, weil er im Alleingang außerhalb einer Kammer versucht hatte, in das Foto hineinzusehen? Und warum ausgerechnet diese Aufnahme? Ambrose musste herausfinden, wer der abgelichtete Mann war. Vielleicht half ihm das ja, die eine oder andere Antwort zu bekommen.
Plötzlich schlug der Pager des Mediziners Alarm. Der junge Arzt blickte auf das kleine Gerät und wurde kreidebleich.
»Verdammt! Der Junge … er stirbt!«
38.
Catherine starrte mit Schwester Giada auf den geöffneten Umschlag und dessen Inhalt. Ein halber Brief, genauer ein halber gedruckter Text und die rechte Hälfte einer Zahlenreihe: 12, 28, 23. Der Rest des Inhaltes musste sich auf der anderen Briefhälfte befinden, die Gott weiß wo war.
»Das ist auf keinen Fall ein Bibelvers«, stellte Schwester Giada fest.
Catherine nickte. »Mal sehen, ob wir nicht doch noch etwas über das Textfragment herausfinden können.«
Sie holte ihren Laptop vom Schreibtisch, legte ein neues Dokument an und tippte die vorhandenen Zeilen ab. Danach öffnete sie das Internetprogramm, gab die Stichworte »Engel«, »Ort«, »Schwarz«, »Tag«, »Stunde«, »verdammt«, »Tore« und »Sterben« in die aufgerufene Suchmaschine ein und drückte auf Return.
Eine Sekunde später verwies die Suchmaschine auf 200 000 Ergebnisse. Zuoberst fand sich der Link zu einem Film mit dem Titel The Prophecy , in dem es um den uralten Krieg zwischen abtrünnigen und gottestreuen Engeln ging. Auf den Film folgte Friedrich Schillers Die Räuber , genauer die zweite Szene des fünften Aktes. Beide Ergebnisse waren interessant, nur leider nicht das, was Catherine und Schwester Giada suchten. Die Textpassagen der Links deckten sich in keiner Weise mit dem Fragment aus Cibans Brief. Der dritte Link verwies auf einen Fan-Roman. Auch hier keinerlei Übereinstimmung, von den Suchbegriffen einmal abgesehen. Der vierte Link verwies auf Shakespeares Othello und so fort.
Catherine recherchierte weiter, doch keine einzige Suche führte zu dem gewünschten Ergebnis. Das Textfragment mit den drei Zahlen blieb ein Rätsel. Woher auch immer der Text kam, wer auch immer ihn verfasst oder entdeckt hatte, er hatte ihn nicht ins Internet gestellt.
»Haben Sie noch eine andere Idee, Schwester?«,
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