Engelspakt: Thriller (German Edition)
fragte Catherine Giada.
»Ich dachte spontan an Johannes Trithemius.«
»Den Abt und Hexentheoretiker aus dem fünfzehnten Jahrhundert?«
»Ich meinte vielmehr den gelehrten Humanisten und sein Buch über die Engel. Es könnte jedoch auch das Werk eines anderen sein.«
Catherine blickte die alte Nonne erstaunt an. Den gelehrten Humanisten? Sie war keine Trithemius-Expertin, aber wenn sie etwas mit dem an der Mosel geborenen Gelehrten in Verbindung brachte, von Theologie und Ordensreformen abgesehen, dann waren es Astrologie, schwarze Magie, Kryptographie, Hexen und Zauberer. Vor allem aber dachte sie an sein Werk Antipalus Maleficiorum , Gegner der Hexereien , eine Hetzschrift, die selbst das von den Dominikanern verfasste Malleus Maleficarum , den allseits bekannten Hexenhammer , an Menschenverachtung übertraf. Einige der Werke von Trithemius hatten über Jahrhunderte hinweg auf dem Index der katholischen Kirche gestanden.
Überhaupt war die Liste an vermeintlich magischen Schriften, an Grimoires, magischen Manuskripten und Papyri in der Geschichte der Menschheit gewaltig und reichte vom Vorchristentum bis ins achtzehnte oder sogar neunzehnte Jahrhundert. Sollte Cibans Textpassage tatsächlich aus einem dieser Werke stammen, war es für Catherine schier unmöglich, die Passage zu finden, da die meisten Werke nicht digitalisiert waren. Damit blieb ihr nur, einen Experten zu befragen. Scrimgeour hätte ihr vermutlich weiterhelfen können, aber der Professor war tot. Catherine bezweifelte, dass es in Cibans Sinn war, wenn sie eine fremde Person in dieser Angelegenheit hinzuzog.
Blieb die Frage, wer die linke Hälfte des Briefes hatte. Vermutlich stand deren Besitzer genauso vor einem Rätsel wie sie.
»Ich fürchte, wir müssen abwarten«, sagte Schwester Giada, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. »Ohne den kompletten Text sind wir machtlos.«
Machtlos? Was für ein seltsames Wort in diesem Zusammenhang.
Die alte Nonne erhob sich, griff in ihr Habit und zog eine schwarze Visitenkarte hervor.
»Unter dieser Nummer können Sie mich jederzeit erreichen, Catherine, Tag und Nacht. Sollte ich nicht sofort antworten können, werde ich schnellstmöglich zurückrufen. Ich muss jetzt leider gehen, bevor man sich im Kloster meinetwegen unnötig Gedanken macht.«
Schwester Giada ging in Catherines Begleitung durch den Flur, jedoch nicht ohne im Vorbeigehen noch einmal einen Blick auf Cibans Schirm zu werfen. Catherine musste sich unglaublich beherrschen, um sie nicht sofort aufzuklären. Aber vermutlich hätte genau das die Sache nur noch schlimmer gemacht. Die Menschen glaubten ohnehin, was sie glauben wollten. Na ja, vielleicht dachte Schwester Giada am Ende ja auch gar nicht in diese Richtung, und dann hätte sie sich erst recht vor der Älteren blamiert.
Nachdem die Nonne gegangen war, lief Catherine ins Wohnzimmer zurück, entzündete den Wandkamin, nahm den Laptop, setzte sich an den Schreibtisch und starrte die ungewöhnliche Karte an. Noch nie hatte ihr jemand eine pechschwarze Visitenkarte in die Hand gedrückt. Aber ihre Hoffnung, etwas mehr über Schwester Giada zu erfahren, wurde leider enttäuscht.
Es stand nämlich lediglich eine Handynummer in feiner silberner Schrift darauf. Weder der Name des Klosters noch der Name der Ordensfrau, die Ciban vermutlich schon seit Jahren den Haushalt führte. Catherine drehte die Karte um und hielt sie gegen das Licht. Auch auf der anderen Seite war keine E-Mail-oder Internetadresse zu sehen. Nichts. Die Karte enthielt tatsächlich nur die Nummer und die Andeutung eines schlichten, wunderschönen Kreuzes, dort wo das Schwarz nicht ganz so schwarz war.
Catherine steckte die Karte zusammen mit dem Brief und dem Porträt des Jungen, das sie von Coelho erhalten hatte, in das verschließbare Seitenfach ihrer Allroundtasche, die zugleich ein schicker Rucksack war. Dann öffnete sie das E-Mail-Programm, um nach ihrer Post zu schauen. Womöglich erfuhr sie ja sogar per Mail, wer die zweite Briefhälfte besaß.
Tatsächlich entdeckte sie eine E-Mail von Bischof Tardini im Posteingangsfach. Tardini? Cibans Sekretär hatte ihr noch nie gemailt. Das konnte also durchaus etwas Wichtiges sein.
Sie öffnete die Nachricht und las. Während ihre Augen neugierig über die wenigen Zeilen huschten, spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Das war nun wirklich unerhört!
Nur wenige Augenblicke später schlüpfte sie in ihre Straßenschuhe, zog ihre Jacke über, schnappte
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