Engelspakt: Thriller (German Edition)
ganz sicher vor Ihnen zurück sein.« Als Martini, ein wenig überwältigt von Mariellas Arie, vor ihr stand, fügte sie rasch hinzu: »Sie wissen schon, das Treffen mit Seiner Eminenz Antonio Mercatis. Seine Geburtstagsfeier zum Fünfundsiebzigsten im kleinen Kreis im Matricianella. Ihr Anzug liegt bereits im Ankleidezimmer. Aber zuerst der Sport!«
Ach, du dickes Ei! Martini hatte Antonios Geburtstag völlig vergessen, obwohl er in den letzten Wochen immer wieder mal daran gedacht hatte. Wie schnell doch die Zeit verging, wenn man den Kopf ausschließlich in dicke Folianten steckte und mehr Staub einatmete als frische Luft. Dabei verdankte er dem alten Weggefährten und ehemaligen Kardinalbibliothekar unglaublich viel. Antonio hatte ihn vor allem vor Marc Kardinal Ciban gewarnt.
»Danke, Mariella«, rief Martini seiner Haushälterin noch hinterher und hörte schon die Haustür zufallen.
Manchmal fragte er sich, was er ohne diese tüchtige Frau tun würde. Selten hatte er einen so gut organisierten und klar denkenden Menschen erlebt wie Mariella. Ohne ihren Hinweis hätte er nicht nur die Post, sondern auch Antonios Geburtstagsfeier vergessen.
Martini ging in die Küche, trank einen Schluck Orangensaft und schenkte sich eine Tasse von dem frischen, heißen Kaffee ein. Erst dann ging er den Stapel mit den Briefen durch, die Mariella für ihn bereitgelegt hatte. Da er in Eile war, studierte er lediglich die Absender, weil er im Grunde nur auf eine ganz bestimmte Sendung wartete.
Es war das Übliche: unnötige Werbung, Infobriefe von diversen wissenschaftlichen Instituten und zwei Privatkorrespondenzen, darunter ein Brief von seinem alten Studienkollegen Alan Scrimgeour. Nichts Wichtiges. Das alles hatte auch noch bis zum Wochenende Zeit. Alles Dringliche kam heutzutage sowieso übers Internet oder vielmehr per E-Mail. Die Postsendung, auf die er wartete, war leider auch heute nicht dabei. Martini legte den Stapel so auf die Seite, dass Mariella sofort erkennen konnte, dass er ihn auch durchgesehen hatte.
Im Schlafzimmer zog er einen von den schwarzen, schicken Jogginganzügen mit den Längsstreifen und die neuen Walking-Schuhe an. Sein persönlicher Trainer würde ihn gleich zum Nordic Walking abholen. Martini stellte sich mental auf die sportliche Übung ein. Mentale Übungen waren ihm am liebsten.
40.
Irgendwo am Rande seines Bewusstseins spürte David die Wiederbelebungsversuche des Ärzteteams. Erst war es zum Atemstillstand gekommen, dann hatte sein Herz ausgesetzt, und als schließlich alle klassischen Wiederbelebungsversuche – Atemhübe sowie Herzdruckmassage – nicht geholfen hatten, hatte einer der Ärzte zwei Elektroden an Davids Brust angebracht. Nachdem er einen Knopf an einem aktenkoffergroßen Gerät gedrückt hatte, war der erste Elektroschock durch Davids Körper gejagt.
Der zweite Elektroschock hatte sein Herz wieder schlagen lassen. Aber seine Seele befand sich noch immer in einer wie in Zeitlupe ablaufenden Vision. Aus dem Nichts, in dem er zunächst gefangen gewesen war, hatte sich ein großer weißgekachelter Saal herausgebildet, wie in einer lebensechten Computeranimation. Dann hatten sich unter blutigen Laken leblose Körper zuhauf an den Wänden entlang aufgereiht. Körper, die zuvor auf eine unaussprechliche Weise behandelt worden waren.
David versuchte dieses Wissen aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Das Foto aus der Zeitung, dieser Kardinal Ciban, hatte ihn direkt in die Hölle geführt. Der Schock darüber hatte erst Davids Atem und dann sein Herz stillstehen lassen.
Jetzt, da sein Herz wieder schlug, hatte sich der weißgekachelte Raum verwandelt. David befand sich in einer anderen Zeit, irgendwo in der Vergangenheit, und er folgte zwei flüchtenden Kindern, einem Mädchen und einem etwas älteren Jungen durch die Nacht. Der Morgen brach allmählich an, als die Kinder auf ein altes, noch weit entferntes Gebäude zuliefen, das in den Gedanken des Jungen den Namen Old Church trug.
Obwohl der Junge und das Mädchen stark waren, hatten sie das Portal kaum aufbekommen. Die rostigen Scharniere hatten geächzt, als verursachte ihnen die Bewegung der Pforte großen Schmerz. Früher war die alte Kirche sicher einmal ein prachtvoller Ort gewesen, besucht von einer wohlhabenden Gemeinde, doch jetzt waren die Fassadenmosaiken abgeblättert, der Glockenturm leer, die Skulpturen, die Wandmalereien, der Altar und die Sakristei zerstört, und die hohen, bunten
Weitere Kostenlose Bücher