Engelsrache: Thriller
das Geld in meiner eigenen Sporttasche und fuhr den Wagen in die Garage.
Caroline räumte gerade in der Küche die Spülmaschine aus. Ich trat von hinten an sie heran und küsste sie auf das Ohr.
»Hallo, Liebling«, sagte sie. »Hat dir Rio schon auf den Schuh gepinkelt?«
»Nein, heute bin ich ihm entwischt.«
»Ich habe den ganzen Nachmittag nichts von dir gehört. Wie ist es denn mit Ms Barlowe so gelaufen?«
Caroline hatte zwar versucht, mich anzurufen, aber ich hatte sie nicht zurückgerufen. Zunächst war ich mir nicht sicher gewesen, ob ich das Mandat überhaupt übernehmen wollte, und später hatte ich Angst gehabt, dass ich alles ausplaudern würde. Ich stellte die Flasche Champagner auf die Arbeitsfläche.
»Wo ist Lilly?«, fragte ich.
Caroline warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Die hat gerade Probe. Mutter holt sie später dort ab und geht dann mit ihr zum Essen. Die kommt erst in ein paar Stunden wieder.«
»Und Sarah?«
»Die ist in ihrer Selbsthilfegruppe.«
»Gut. Immerhin gibt sie sich Mühe.«
Caroline sah die Champagnerflasche mit einem fragenden Blick an. »Gibt’s was zu feiern?«
»Komm, lass uns auf die Veranda gehen. Ich muss dir was sagen.«
»Bin gleich da.«
Ich nahm zwei Sektgläser aus dem Schrank, öffnete die Flasche und ging auf die Veranda hinaus. Dort stellte ich die Flasche und die Gläser auf den Tisch. Die Sporttasche ließ ich unter dem Tisch verschwinden. Das Unwetter kam nun immer näher, und der Wind hatte aufgefrischt, aber uns blieb noch etwas Zeit. Es wurde dunkel. Im Nordosten war über dem Horizont bereits der Große Wagen zu sehen. Im Nordwesten stieg der Mond hinter dem höchsten Hügel auf, und die Positionslichter der Ponton- und der Sportfischerboote, die in beiden Richtungen über den Kanal fuhren, funkelten auf dem gekräuselten Wasser wie Glühwürmchen.
Ich zündete die Petroleumlampen an, die ich auf den beiden Schmalseiten der Veranda angebracht hatte, und setzte mich just in dem Augenblick an den Tisch, als Caroline her-auskam. Sie nahm an der anderen Tischseite Platz. Ich goss Champagner in die Gläser und sah sie an.
»Was ist denn?«, fragte sie.
»Ach, mir war nur gerade nach Schampus«, sagte ich. »Ich kann nichts dagegen machen.«
»Ja, ja«, sagte sie. Das Grübchen in ihrer rechten Wange war nur zu erkennen, wenn sie ein bestimmtes Lächeln aufsetzte. Jetzt lächelte sie auf genau diese Weise.
»Alles glatt gelaufen«, sagte ich. »Ich meine – mit Ms Barlowe.«
»Ich habe das Mädchen im Fernsehen gesehen. Verdammt hübsch.«
»Sie ist auch sehr nett. Und es spricht verdammt viel dafür, dass sie unschuldig ist. Ich habe heute mit ihr gesprochen.«
Caroline schnappte nach Luft. »Du hast mit ihr gesprochen? Oh, mein Gott, warst du deshalb den ganzen Tag weg? Und – wirst du sie verteidigen?«
»Ich glaube, da bleibt mir kaum noch eine andere Wahl.«
In Carolines Augen erschien ein Leuchten. Ich wusste genau, was sie dachte.
»Wie viel?«, sagte sie.
»Was glaubst du, was so ein Mandat wert ist: Heimtückischer Mord, möglicherweise muss sie sogar mit der Todesstrafe rechnen, und dann noch mit hoher Wahrscheinlichkeit mein letzter Fall?«
»Keine Ahnung.« Sie trank einen Schluck Champagner und beugte sich in meine Richtung. »Wie viel?«
»Was schätzt du denn?«
»Fünfzig?«
»Mehr.«
»Uiiih«, sagte sie. »Sechzig?«
»Viel zu wenig. Leg noch was drauf.«
»Oh, mein Gott, Joe. Fünfundsiebzig? Nein, du siehst so blasiert aus. Ich traue mich gar nicht, es zu sagen: Hundert?«
»Du bist noch nicht mal auf halbem Weg.«
Sie saß mit offenem Mund da. »Das ist doch nicht dein Ernst«, sagte sie. Ich glaube nicht, dass sie selbst etwas davon mitbekam, aber sie zappelte auf ihrem Stuhl herum wie ein Schulmädchen.
»O doch, mein völliger Ernst. Mehr als das Doppelte.«
»Zwei-zweihundert-zwanzig?«
»Noch ein bisschen mehr. Pack noch mal dreißig obendrauf.«
»Zweihundertfünfzig?« Sie sprach das Wort so ungläubig aus, als ob sie träumte.
»Bingo! Und was haben wir da für die Lady, die mein Honorar gerade auf eine viertel Million Dollar geschätzt hat, unter dem Tisch?« Ich beugte mich nach unten, schnappte mir die Tasche und knallte sie auf den Tisch. Caroline fing an, Champagner zu spucken.
»Ist in der Tasche wirklich …? Nein, das kann doch nicht wahr sein …« Sie öffnete mit zittrigen Fingern den Reißverschluss. »Joe, das ist doch nicht wahr?«
»Großes Ehrenwort«, sagte ich und
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