Engelsrache: Thriller
vorbeikommen.«
»Mr Dillard, mein Mann hat immer gut für mich gesorgt und mir auch genügend Geld hinterlassen. Geld ist für mich kein großes Thema.«
Das hätte sie besser nicht gesagt. Meine Honorarvorstellungen verdoppelten sich augenblicklich.
»Ich will ehrlich mit Ihnen sein«, sagte ich. »Eigentlich wollte ich meinen Job nächstes Jahr an den Nagel hängen. Wenn ich diesen Fall übernehme, könnte es sein, dass ich mir diesen Wunsch nicht erfüllen kann, weil das Verfahren sich hinzieht.«
»Bitte, Mr Dillard, ich zahle Ihnen, was Sie wollen. Schließlich sind Sie der beste Anwalt weit und breit. Ich habe in den vergangenen Jahren viel von Ihnen gehört und über Sie gelesen. Sie haben sogar schon ein paar von meinen Mädels vertreten – irgendwelche Bagatellsachen. Das liegt zwar bereits Jahre zurück, aber alle haben immer sehr gut von Ihnen gesprochen. Ich möchte, dass genau Sie meinen süßen kleinen Engel verteidigen. Betrachten Sie die Sache doch einfach als Ihr letztes großes Mandat. Als Ihren letzten großen Fall!«
Ich holte tief Luft. »Aber Sie kennen das Mädchen doch gerade erst einen Monat. Wären Sie etwa bereit, eine viertel Million Dollar für ihre Verteidigung hinzulegen?«
Die Summe schien sie nicht weiter zu beeindrucken. »Angel hat niemanden ermordet, Mr Dillard. Dafür lege ich die Hand ins Feuer. Ich tue alles für das Mädchen, was nötig ist.«
»Das Mandat kann ich nur übernehmen, wenn Sie mit diesem Honorar einverstanden sind. Zweihundertfünfzigtausend in bar, und zwar im Voraus, ohne Anspruch auf Rückerstattung. Und das ist bloß das Honorar. Für die übrigen Aufwendungen müssen Sie selbstverständlich ebenfalls aufkommen. Wir brauchen zum Beispiel jemanden, der für uns Ermittlungen führt, und möglicherweise auch Sachverständige. Solche Leute sind nicht gerade billig.«
»Wissen Sie was, mein Lieber«, sagte sie, »am besten, Sie fahren gleich mal ins Gefängnis und sprechen mit Angel. Wenn Sie dort fertig sind, rufen Sie mich an. Dann gebe ich Ihnen Ihr Geld.«
26. April
15:00 Uhr
Auf dem Weg ins Gefängnis zog ich ernsthaft in Betracht, den Fall nicht zu übernehmen. Ich hatte beschlossen aufzuhören, und es war dazu wirklich höchste Zeit. Lilly war in einem Monat mit der Highschool fertig, und ich hatte nur noch ein paar Mandate abzuwickeln. Aber das Geld … mein Gott! Eine viertel Million! Ob Erlene wirklich so viel Geld auf den Tisch legen würde? Natürlich konnten Caroline und ich das Geld gut gebrauchen, vor allem angesichts der Kosten, die wir für das Pflegeheim meiner Mutter aufzubringen hatten. Ihr Aufenthalt dort kostete mich jeden Monat über tausend Dollar. Ich beschloss, noch abzuwarten und meine Entscheidung von dem Gespräch mit dem Mädchen abhängig zu machen.
Als das Mädchen in das Anwaltszimmer trat, sah ich sofort, dass Erlene Barlowe wenigstens in einem Punkt die Wahrheit gesagt hatte. Angel war umwerfend schön. Ich stand auf. Die beiden Aufseher stützten das Mädchen an den Ellbogen, während sie sich mit ihren Fußfesseln mühsam vorwärtsbewegte. Die beiden schoben ihr wie in einem Nobelrestaurant den Stuhl zurecht und bewegten sich dann im Rückwärtsgang wieder Richtung Tür. Hätte mich nicht überrascht, wenn sie sich mit einer Verbeugung verabschiedet hätten. Dann wurde die Tür von außen geschlossen, und ich setzte mich wieder hin.
»So etwas habe ich ja noch nie gesehen«, sagte ich.
Sie lächelte geistesabwesend.
»Vollzugsbeamte behandeln die Häftlinge – ob Mann oder Frau – normalerweise alles andere als höflich. Dass ein Aufseher einer Gefangenen den Stuhl zurechtrückt, habe ich überhaupt noch nie erlebt.«
Ihr glänzendes mahagonibraunes Haar war mehr als schulterlang. Sie hatte eine kleine zarte, leicht aufwärts gebogene Nase und mandelförmige tiefbraune Augen. Ihre linke Augenbraue stand etwas höher als die rechte. Deshalb hatte ihr Gesicht einen permanent interessierten – oder vielleicht eher perplexen – Ausdruck. Ihre vollen Lippen bildeten einen entzückenden Schmollmund, und trotz ihres orangefarbenen Overalls war noch zu erkennen, dass sie eine phantastische Figur hatte.
»Ich heiße Joe Dillard«, sagte ich. »Ich bin Anwalt. Erlene Barlowe hat mich gebeten, Ihnen hier einen Besuch abzustatten.«
»Ich heiße Angel«, sagte sie. »Angel Christian.« Sie hatte eine sanfte wohlklingende Stimme.
»Wissen Sie eigentlich genau, weshalb Sie hier sind, Miss Christian?«
»Ja.« Sie
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