Engelsrache: Thriller
gewesen ist. Mit mir hast du doch die gleiche Scheiße versucht. Ach, Sarah, du kannst bei uns wohnen. Wir sind ja eine so großartige kleine Familie. Wir kaufen dir alles, was du willst, solange du nur die Finger von dem verdammten Stoff lässt. Wir kümmern uns um dich. Was für ein Dreck. Man kann Leute nicht kaufen, Joe. Mach dich doch nicht lächerlich.«
Ich war aufgestanden, hatte mich an die Wand gelehnt und begutachtete meine Fingernägel. Sarahs giftsprühende Tiraden kannte ich schon. Ich ließ ihre Beleidigungen einfach an mir abprallen.
»Ich bin hier, um dich über einige Punkte aufzuklären«, sagte ich. »Erstens wollte ich dir erklären, was du angestellt hast, sollte dir die ganze Tragweite deiner Situation noch nicht hinreichend bewusst sein. Der Diebstahl des Autos war eine schwere Straftat, mindestens drei, maximal sechs Jahre Knast – bei deinem Vorstrafenregister. Das Gleiche gilt für den Diebstahl der Halskette. Bei deinen Vorstrafen und dank meinen Beziehungen zur Staatsanwaltschaft kann ich vielleicht sogar erreichen, dass sie die beiden Strafen addieren. Diesmal kommst du nicht mit sechs Monaten im Bezirksgefängnis davon, Sarah. Diesmal sperren sie dich zwölf Jahre ein. Wenn du wieder rauskommst, bist du mindestens fünfzig, falls du überhaupt so lange lebst. Dafür sorge ich höchstpersönlich.«
Ich hatte sie schon in fünf Verfahren verteidigt und mir jedes Mal geschworen, das nie wieder zu tun. Ich hatte jedes Mal die Mindeststrafe erwirkt und die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, Milde walten zu lassen. Aber diesmal war alles ganz anders. Diesmal fühlte ich mich total von ihr verraten, und ich wollte mich rächen, auch wenn ich darauf nicht unbedingt stolz war. Sarah brauchte einige Sekunden, bis sie begriff, was ich gerade gesagt hatte. Sie zog die Knie an den Körper und fing an, sich rhythmisch zu wiegen. Dann begann sie zu wimmern.
»Das kannst du mir doch nicht antun, Joey. Das geht nicht. Das überlebe ich nicht.«
»Aber klar. Hast du doch immer.«
»Aber ich bin krank, Joey. Du weißt doch, dass ich krank bin. Sage Lilly und Caroline, dass es mir leidtut. Ich suche mir eine Arbeit und zahle euch alles zurück.«
»Zu spät. Ein Mal zu viel. Ich bin fertig mit dir.«
»Das hast du schon öfter gesagt. Das ist doch nicht dein Ernst. Du bist der Einzige, der mich nie aufgegeben hat. Du darfst mich nicht im Stich lassen, Joey.«
»Ich heiße Joe«, sagte ich. »Das mit Joey ist lange her, damals waren wir noch Kinder. Und du solltest endlich aufhören, dich wie ein Kind zu benehmen.«
Sie fing wieder laut an zu schluchzen. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und sie schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Der Aufseher kam an die Tür.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»Ja, ich wollte ohnehin gerade gehen. Würden Sie mich bitte rauslassen.«
Der Mann öffnete die Eisentür, und ich trat aus dem Raum. Sarahs Schluchzen war kaum noch zu ertragen. Ich ging rasch durch den Gang zur Treppe und stieß die Tür auf. Bevor sie wieder hinter mir zufiel, hörte ich noch Sarahs Kreischen.
»Joey! Du musst mir helfen«, schrie sie.
12. Juni
14:15 Uhr
In Polizei- und Justizkreisen sprechen sich gute wie schlechte Neuigkeiten schnell herum. Und so war bald bekannt, dass Joe Dillards Schwester mal wieder einsperrt worden war, nur dass sie diesmal Dillard und seine Familie bestohlen hatte.
In Phil Landers Augen war Dillard ein selbstgerechter Arsch, der seine Zeit damit verbrachte, vor Gericht das miese Pack herauszuhauen, das Landers kurz zuvor aus dem Verkehr gezogen hatte. Aus Landers’ Sicht war Dillard deshalb keinen Deut besser als die Leute, die er anwaltlich vertrat. Als Landers erfuhr, dass Dillard Angel Christians Verteidigung übernommen hatte, war er stinksauer. Die Vorstellung, sich im Vorfeld und während des gesamten Verfahrens mit Dillard herumschlagen zu müssen, machte ihn wütend. Dann hörte er, dass Dillards Schwester festgenommen worden war, und es ging ihm augenblicklich spürbar besser. Er rief sofort im Gefängnis an und erfuhr dort, dass sie nicht gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden war. Anschließend sprach er mit der Gefängnisdirektorin und bat sie, Dillards Schwester in den Zellentrakt zu verlegen, wo auch Angel Christian inhaftiert war. Die Direktorin hatte gegen den Vorschlag nichts einzuwenden, und so wartete Landers noch ein paar Tage und stattete Sarah Dillard dann im Gefängnis einen Besuch ab.
Er ließ sie von den Aufsehern in
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