Engelsrache: Thriller
gegenüber hat sie geleugnet, dass sie es getan hat, also hat sie es aus meiner Sicht auch nicht getan. Was ich gerade gesagt habe, ist reine Theorie.«
»Hast du dir Aufzeichnungen von den Gesprächen gemacht?«
»Natürlich.«
»Steck sie in den Schredder.«
Da ich Tom schon mal am Wickel hatte, was umständehalber nicht so häufig vorkam, nutzte ich die Gelegenheit, um mit ihm auch noch über Tester junior zu sprechen. Ich beschrieb ihm detailliert, was zwischen uns vorgefallen war, und erzählte ihm auch von dem gequälten, hasserfüllten Blick, mit dem Junior mich angesehen hatte, als ich ihn zu Hause besucht hatte.
»War es falsch, dass ich zu ihm gefahren bin?«, fragte ich.
»Den Mann zu Hause zu besuchen, war keine so schlechte Idee, wie du jetzt vielleicht denken magst«, sagte Tom. »Vielleicht hast du ihn ja davon überzeugen können, dass sein Verhalten für ihn nicht ohne Risiko ist. Möglicherweise hast du ihm sogar einen Schock verpasst, der ihn in die Wirklichkeit zurückgeholt hat, zumindest eine Zeit lang. Hast du ihn seither noch mal gesehen?«
»Nein.«
»Dann hat er es offenbar mit der Angst zu tun bekommen.«
»Von Angst habe ich in seinem Gesicht allerdings nichts gesehen. Meinst du, dass ich es noch mal mit ihm zu tun bekomme?«
»Schwer zu sagen.«
»Für wie groß hältst du die Wahrscheinlichkeit?«
»Ich würde mal sagen, das hängt ganz davon ab.«
»Wovon?«
»Davon, wie du im Gerichtssaal über seinen Vater sprichst. Darüber solltest du dir vielleicht mal ein paar Gedanken machen.«
25. Juni
16:00 Uhr
Nach den Gesprächen mit Diane und Tom war ich verwirrt und besorgt zugleich. Ich fand es an der Zeit, endlich mal ein ernstes Wörtchen mit meiner Mandantin zu sprechen. Ich wollte über einige belastende Indizien mit ihr reden, vor allem aber ausprobieren, ob Angel einem Kreuzverhör gewachsen war. Falls es mir gelingen sollte, sie der Lüge zu überführen, konnte der Staatsanwalt das natürlich ebenso gut.
Als die Aufseher Angel in das Besprechungszimmer führten, trug sie weder Handschellen noch Fußfesseln – offenbar galt sie nicht mehr als Sicherheitsrisiko. Auf meine Frage, ob ich sie in Zukunft mit ihrem richtigen Namen ansprechen oder sie weiterhin Angel nennen sollte, entgegnete sie, dass sie es vorziehe, Angel genannt zu werden, und dass Mary Ann für sie ein für allemal erledigt sei.
»Und wie geht es Ihnen so?«, fragte ich.
»Geht schon. Die Aufseher sind sehr nett zu mir.«
Jedes Mal, wenn ich sie sah, war ich aufs Neue von ihrer seidigen Haut fasziniert, von den Konturen ihres Gesichts, ihren vollen Lippen. Ein extrem schönes Mädchen, was mein Vorhaben nicht eben erleichterte.
»Es gibt da ein paar Dinge, die ich Sie fragen muss, weil diese Dinge mir Sorgen machen. Und ich bitte Sie, mir die Wahrheit zu sagen.«
Sie sah mich erstaunt an, nickte aber.
»Zunächst mal muss ich wissen, wie Sie zu Julie Hayes stehen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Meine Frage ist: Was könnte Julie Hayes veranlasst haben, bei der Polizei auszusagen, dass Erlene und Sie den Club in der Mordnacht unmittelbar nach Reverend Tester verlassen haben.«
»Was? Das hat Julie gesagt?«
Ich zog eine Kopie des von Julie unterschriebenen Aussageprotokolls aus der Aktentasche und legte das Blatt vor Angel auf den Tisch.
»Das hier ist eine Kopie der Aussage, die Julie gegenüber dem TBI gemacht hat. Bitte lesen Sie selbst.«
In den nächsten Minuten las Angel das Protokoll aufmerksam durch und sah mich dann wieder an.
»Wie kommt sie dazu, so etwas zu behaupten?«, fragte sie.
»Gute Frage. Genau das wüsste ich auch gerne.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sind Sie unmittelbar nach dem Reverend mit Erlene aus dem Club weggegangen?«
»Nein.«
»Ganz sicher nicht?«
»Nein.«
»Nun ja, Julie behauptet das Gegenteil, und da sie das Protokoll unterzeichnet hat, wird sie gewiss auch vor Gericht aussagen. Ist sie vielleicht böse auf Sie?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Oder ist sie auf Erlene sauer?«
»Weiß ich nicht.«
»War sie vielleicht eifersüchtig, weil Erlene so an Ihnen hängt?«
»Darüber hat sie nie mit mir gesprochen.«
»Haben sich Julie und Erlene in Ihrer Gegenwart je gestritten?«
»Nein.«
»Sind Sie damals nachts wirklich sofort mit Erlene nach Hause gefahren?«
»Ja.«
»Und was für ein Auto hat Erlene gefahren?«
Angel zögerte. »Wie bitte?«
»Was für ein Auto hat Erlene damals gefahren?«
»Von Autos verstehe ich
Weitere Kostenlose Bücher