Engelsrache: Thriller
nichts.«
»Wissen Sie, wie eine Corvette aussieht?«
»Nein.«
»Mein Gott, Angel, das ist ein todschicker Sportwagen. Wenn Sie in der besagten Nacht mit Erlene in so einem Wagen nach Hause gefahren sind, müsste das Auto rot gewesen sein.«
»Ich verstehe echt nichts von Autos.«
»Hat Erlene am nächsten Tag wieder denselben Wagen gefahren?«
Abermals zögerte sie und bat mich, die Frage zu wiederholen.
»In der Nacht, als Reverend Tester umgebracht worden ist, sind Sie zusammen mit Erlene nach Hause gefahren. Stimmt das?«
»Ja.«
»Erlene hat Sie also in ihrem Auto mitgenommen?«
»Ja.«
»Hat sie am nächsten Tag denselben Wagen gefahren wie in der Mordnacht oder einen anderen?«
»Das weiß ich nicht mehr. Ich glaube, denselben Wagen«, sagte sie und blickte zur Decke hinauf. Ich war mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagte, deshalb fragte ich weiter nach dem Auto.
»Julie hat bei der Polizei ausgesagt, dass Erlene in der Mordnacht eine rote Corvette gefahren hat, am nächsten Tag aber plötzlich mit einem anderen Auto vorgefahren ist. Stimmt das?«
»Glaube ich nicht.«
Ich stieß einen Stoßseufzer aus. Ich wollte ihr ja glauben. Aber ihre unpräzisen Antworten weckten natürlich in mir gewisse Zweifel. Deshalb erhöhte ich den Druck. Ich legte mehr Nachdruck in meine Stimme und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Wollen Sie den Staatsanwalt etwa mit dieser vagen Antwort abspeisen, wenn er Sie im Zeugenstand mit dieser Frage konfrontiert? Wollen Sie dann ebenfalls sagen: ›Glaube ich nicht.‹ Wenn Sie ihm mit so einer Antwort kommen, nimmt er Sie total auseinander. Also geben Sie mir bitte eine klare Antwort. Hat Erlene am nächsten Tag einen anderen Wagen gefahren – ja oder nein?«
Als ich mit der Hand auf den Tisch schlug, sah Angel mich erschrocken an, und der Nachdruck in meiner Stimme schien sie vollends aus der Fassung zu bringen.
»Nein, ich glaube, dass sie denselben Wagen gefahren hat.«
»Das glauben Sie? Sie glauben also, dass sie am nächsten Tag denselben Wagen gefahren hat? Das reicht nicht, Angel. Das ist eine ausweichende Antwort, und Geschworene mögen ausweichende Antworten überhaupt nicht.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Wie wäre es mit der Wahrheit? Wir sind hier unter uns. Wenn Sie mir gestehen, dass Erlene am nächsten Tag ein anderes Auto gefahren hat, renne ich sicher nicht sofort los, um das der Polizei mitzuteilen. Nicht mal Erlene würde ich etwas davon sagen.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, legte die Beine übereinander – eine klassische Abwehrhaltung – und fing an, auf ihrem Stuhl vor und zurück zu schaukeln. Offenbar kämpfte sie mit sich und war unschlüssig, was sie tun sollte.
»Miss Erlene hat niemanden umgebracht«, sagte sie schließlich.
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Aber das denken Sie. Das merke ich doch genau.« Sie hatte recht. Ich hatte immer deutlicher das Gefühl, dass Angel Erlene decken wollte. Wenn sie das wirklich versuchte, konnte sie dieser Fehler das Leben kosten.
»Julie hat ausgesagt, dass Erlene am Tag nach dem Mord plötzlich mit einem anderen Auto aufgekreuzt ist. Und dann hat sie noch ausgesagt, dass Erlene und Sie den Club unmittelbar nach Tester verlassen haben. Das heißt: Entweder lügt Julie, oder Erlene und Sie lügen. Wenn Julie lügt, müsste ich wissen, warum. Wenn Sie lügen, müsste ich ebenfalls wissen, warum. Wer lügt hier also?«
»Julie lügt.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht.«
»Kommen wir noch mal auf Erlenes Auto zu sprechen. Hat sie am Tag nach dem Mord nun ein anderes Auto gefahren oder nicht?
»Nein, hat sie nicht.«
Ich war wieder dort, wo ich angefangen hatte. Julie hatte gelogen. Den Geschworenen konnte ich das nur mit der Begründung verkaufen, dass sie drogenabhängig, vielleicht auch wütend oder möglicherweise eifersüchtig war, weil Erlene Angel den anderen Mädchen vorzog. Ob die Geschworenen mir das abkaufen würden, konnte ich allerdings beim besten Willen nicht beurteilen.
»Sie brauchen die Arme jetzt nicht mehr zu verschränken.«
»Was?«
»Verschränkte Arme sind eine Abwehrhaltung, Angel. Sie sind ein Hinweis darauf, dass der betreffende Mensch sich bedroht fühlt. Deshalb möchte ich Sie bitten, diese Haltung im Zeugenstand unbedingt zu vermeiden. Und jetzt kommen wir zu dem Bluterguss in Ihrem Gesicht. Ich meine den Bluterguss, der auf dem Polizeifoto zu sehen ist.«
Wieder zögerte sie zunächst, legte die Finger auf ihre
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