Engelsrache: Thriller
Ich konnte mich einfach nicht beherrschen.
»Aber sicher doch«, sagte Baker. »Wir haben auch so genügend Beweise. Auf das Mädchen sind wir gar nicht angewiesen.«
»Ich vermute mal, dass die Herren sich mit mir auf ein Strafmaß verständigen möchten.«
»Ganz recht«, sagte Baker. »Am besten, wir sprechen ganz offen miteinander. Wir brauchen uns hier gegenseitig nichts vorzumachen.«
In solchen Gesprächen ging es ausschließlich darum, die Gegenseite zu verunsichern. Das wussten die beiden Staatsanwälte so gut wie ich.
»Wir verfügen über erstklassige Beweise«, sagte Baker. »Trotzdem habe ich intensiv über den Fall nachgedacht und finde, dass die Todesstrafe hier nicht angemessen wäre. Falls das Mädchen ein Geständnis ablegt, könnten wir unseren Antrag zurückziehen.«
So viel zum Thema Aufrichtigkeit. Die beiden hatten so gut wie nichts gegen Angel in der Hand, erst recht nicht, seit Julie Hayes tot war.
»Und was genau schwebt Ihnen vor?«, fragte ich.
»Zwanzig Jahre. Minderschwerer Mord.«
»Keine Chance. Nicht bei den Beweismitteln. Sie haben mich doch gewiss nicht wegen eines solchen Angebots extra hierherkommen lassen.«
»Machen Sie ein Gegenangebot«, sagte Baker.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte ich. »Aus meiner Sicht waren die Indizien, auf die Sie sich in Ihrer Beweisführung stützen, schon vor dem Ableben ihrer wichtigsten Zeugin ziemlich schwach. Außerdem ist das Mordopfer auch nicht gerade das, was man attraktiv nennen würde. Sie werden also in der Verhandlung vor allem versuchen, den Nachweis zu führen, dass sich Ihr Prediger in den Stunden vor seiner Ermordung in einem Striptease-Club aufgehalten hat. Anschließend werden Sie vermutlich zu beweisen suchen, dass der Mann eine Prostituierte in sein Hotel beordert und deshalb in dem Club noch schnell etwas Geld aus dem Automaten gezogen hat, bevor er gegangen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geschworenen den Mann sonderlich sympathisch finden, und ich werde natürlich mein Bestes tun, um sie in dieser Abneigung zu bestärken.«
»Nehmen wir mal an, er hat – wie Sie unterstellen – tatsächlich eine Prostituierte in sein Hotel bestellt«, sagte Martin. »Das heißt noch lange nicht, dass sich daraus ein Recht hätte ableiten lassen, ihn brutal zu ermorden und anschließend zu verstümmeln. Die Geschworenen werden sich gewiss gedrängt fühlen, jemanden für diese beiden Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.«
»Das sehe ich genauso«, sagte ich. »Allerdings nicht Angel. Ich glaube nicht, dass sie es getan hat, und Sie können es nicht beweisen. Barlowe könnte ihn genauso umgebracht haben, aber auch jedes andere Mädchen in dem Club. Außerdem könnte er auch noch woanders gewesen sein und dort jemanden abgeschleppt haben, oder jemand hat ihn bereits erwartet, als er wieder in sein Motelzimmer gekommen ist. Es gibt also tausend Möglichkeiten, und das wissen Sie ganz genau.«
»Allerdings haben wir in dem Zimmer ein paar Haare Ihrer Mandantin sichergestellt«, sagte Baker.
»Wenn Ihre Techniker die Haare im Bad oder am Kopfende des Betts oder auch nur auf dem Fußboden gefunden hätten, sähe die Sache anders aus. Aber sie haben die Haare an seiner Kleidung entdeckt. Es ist nämlich durchaus möglich, dass ein paar von Angels Haaren an dem Prediger hängen geblieben sind, als sie ihm im Club seinen Whiskey serviert hat und er immer wieder zudringlich geworden ist. Vielleicht hätte Julie Hayes Ihnen dabei helfen können, die Geschworenen in dem Verdacht zu bestärken, dass Angel in dem Motel gewesen ist, aber Julie Hayes weilt nun einmal nicht mehr unter uns.«
»Wir haben genügend andere Beweise«, sagte Baker.
»Ich weiß genau, welche Beweismittel Sie haben, Deacon. Und ich weiß, was ich selbst in die Waagschale werfen kann. Eigentlich wollte ich Sie ja damit überraschen. Aber da wir hier schon mal die Karten auf den Tisch legen: Ich habe einen Zeugen, der in der Mordnacht um Mitternacht auf Picken’s Bridge eine Frau gesehen hat, die nach seiner Beschreibung eigentlich Erlene Barlowe gewesen sein müsste. Der Mann heißt Virgil Watterson. Ich glaube, Sie haben von ihm gehört.«
Baker errötete. Offenbar war es ihm nicht in den reichlich beschränkten Sinn gekommen, dass Watterson sich auch mit dem Verteidiger der Beschuldigten in Verbindung setzen könnte, und Landers hatte von unserem Gespräch im Gericht anscheinend nichts verlauten lassen.
»Die Aussage ist doch
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