Engelsrache: Thriller
nicht glaubhaft«, sagte Baker. »Der Zeuge hat lediglich mitten in der Nacht eine Frau auf einer Brücke gesehen. Er kann sie nicht eindeutig identifizieren und nicht mal mit Sicherheit die Farbe des Autos benennen.«
»Quatsch«, sagte ich. »Eines wissen Sie doch so gut wie ich. Falls tatsächlich jemand aus dem Club Tester umgebracht hat, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Erlene Barlowe.« Ich kam mir wie ein menschliches Schwein vor, als ich dies sagte. Schließlich hatte Erlene mir eine beträchtliche Summe Bargeld überreicht, aber es war nun mal mein Job, Angel anwaltlich zu vertreten. Dabei konnte ich auf Erlene keine Rücksicht nehmen.
»Dafür habe ich keinen Beweis«, sagte Baker.
»Ebenso wenig wie für die Behauptung, dass Angel den Mann umgebracht hat.«
»Und was schließen wir daraus?«, sagte Baker. Er sah aus, als ob er schon klein beigeben wollte.
»Wir sind bereit, es darauf ankommen zu lassen.«
»Was verlangen Sie als Gegenleistung für eine rasche Beilegung des Verfahrens? Machen Sie ein vernünftiges Gegenangebot.«
Eine äußerst diffizile Frage. Wenn Angel unschuldig war, sollte sie völlig entlastet aus dem ganzen Verfahren hervorgehen. Um dies zu erreichen, mussten wir jedoch ein Schwurgericht überzeugen, und ein solches Gericht von der Haltlosigkeit eines Mordvorwurfs zu überzeugen, war leichter gesagt als getan. Außerdem kannte ich Deacon. Wie die meisten Staatsanwälte war er nicht bereit, einen Fehler einzuräumen und das ganze Verfahren einfach einzustellen. Er wusste, dass ich ihm irgendwas anbieten musste, um mit ihm zu einer Vereinbarung zu gelangen und so das Risiko zu vermindern, dass Angel gegen alle Wahrscheinlichkeit für schuldig befunden und zu lebenslänglich oder gar zur Todesstrafe verurteilt wurde.
»Möglich, dass sie bereit ist, den Tatvorwurf weder zu bestätigen noch zu bestreiten, solange Sie die Strafe zur Bewährung aussetzen«, sagte ich. »Sie befindet sich ohnehin schon länger in Untersuchungshaft, als eigentlich zulässig wäre.«
»Dann glauben Sie also wirklich, dass das Mädchen unschuldig ist?«, fragte Frankie.
»Ja, das glaube ich in der Tat. Sie ist nicht vorbestraft, hat weder Alkohol- noch Drogen- oder psychische Probleme« – eine Notlüge – »und wirkt auf mich außerordentlich sanftmütig. Ich glaube nicht, dass sie es gewesen ist. Und vergessen Sie eines nicht. Das Mädchen wird als Zeugin einen außerordentlich positiven Eindruck hinterlassen. Sie wissen ja, wie hübsch sie ist, und außerdem wirkt sie aufrichtig und ehrlich.«
»Eine Bewährungsstrafe – das ist ganz ausgeschlossen«, sagte Baker. »Ich kann doch nicht für eine mit der Todesstrafe bedrohte Straftat lediglich eine Bewährungsstrafe beantragen. Da mache ich mich doch total lächerlich.«
»Ihnen fällt schon was ein, Deacon«, sagte ich. »Ist doch ganz einfach. Sie erklären vor Gericht, dass eine wichtige Zeugin inzwischen verstorben ist und dass die Ermittlungen einiges zutage gefördert haben, worüber Sie öffentlich nicht sprechen können, dass Sie aber aufgrund dieser Erkenntnisse davon überzeugt sind, dass der Gerechtigkeit mit dieser Vereinbarung Genüge getan wird. Gegenüber der Presse wiederum lassen Sie verlauten, dass Ihre Position als Bezirksstaatsanwalt von Ihnen verlangt, der Gerechtigkeit zu dienen und nicht um jeden Preis jedes Verfahren zu gewinnen. Dann erheben Sie Anklage gegen Erlene Barlowe und bringen die Sache wieder in Ordnung. So könnten Sie am Ende sogar als Held dastehen, und von meiner Seite aus haben Sie keinerlei Kritik zu befürchten, das können Sie mir glauben. Ich erkläre gegenüber der Presse, dass die Staatsanwaltschaft die richtige Entscheidung getroffen hat und dass Sie in dieser tragischen Situation von A bis Z in gutem Glauben gehandelt haben. Ich bin sogar bereit, in den Wochen vor den Wahlen öffentlich ein Loblied auf Sie anzustimmen.«
Baker ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken und nahm die Zigarre aus dem Mund. Er sah zuerst Martin, dann mich an. Dann erschien auf seinen Lippen ein schmieriges Lächeln.
»Sie sind ein ganz schön verschlagener Bursche«, sagte er.
»Ich möchte nur gewährleisten, dass alle zu ihrem Recht kommen«, sagte ich. »Mein Mädchen geht nach Hause, und Sie sind der strahlende Held. Sie verlangen drei Jahre auf Bewährung wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Dann haben Sie die junge Dame drei Jahre am Schlafittchen. Sollte die Kleine sich in dieser Zeit etwas zuschulden
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