Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
sich aber nicht auf seinem Zimmer. Erlendur ließ von der Rezeption aus zu ihm durchklingeln und fuhr dann mit dem Aufzug hoch, um an der Zimmertür zu klopfen. Er bekam keine Antwort. Er überlegte, ob er den Hotelmanager dazu bringen sollte, das Zimmer zu öffnen, aber dazu musste er einen Durchsuchungsbefehl in der Hand haben, und das konnte sich bis spät in die Nacht hineinziehen. Außerdem war es völlig ungewiss, ob Henry Wapshott der Henry war, mit dem sich Guðlaugur um 18.30 Uhr verabredet hatte.
    Erlendur stand auf dem Gang und ging die verschiedenen Optionen durch, als ein Mann zwischen fünfzig und sechzig um die Ecke bog und auf ihn zukam. Er trug eine abgewetzte braune Tweedjacke, grüne Khakihosen und ein blaues Hemd mit knallrotem Schlips. Grau meliertes Haar war sorgfältig über die Halbglatze gekämmt worden.
    »Sind Sie das?«, fragte er auf Englisch, als er sich Erlendur näherte. »Mir wurde gesagt, dass jemand nach mir gefragt hat. Ein Isländer. Sind Sie Sammler? Wollten Sie sich mit mir treffen?«
    »Heißen Sie Wapshott?«, fragte Erlendur. »Henry Wapshott?« Sein Englisch war nicht besonders gut. Er verstand zwar das meiste, aber mit dem Sprechen haperte es. Wegen zunehmender internationaler Verflechtungen in der Kriminalität hatte die Polizei spezielle Englischkurse eingerichtet, an denen Erlendur teilgenommen hatte. Es hatte ihm gefallen, und inzwischen las er sogar hin und wieder ein englisches Buch.
    »Mein Name ist Henry Wapshott«, sagte der Mann. »Was wollen Sie von mir?«
    »Wir sollten vielleicht nicht auf dem Gang herumstehen«, erklärte Erlendur. »Können wir auf Ihr Zimmer gehen? Oder …?«
    Wapshott blickte auf die Zimmertür und dann wieder auf Erlendur.
    »Vielleicht sollten wir hinunter in die Lobby gehen«, sagte er. »Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?«
    »Gehen wir nach unten«, sagte Erlendur.
    Henry Wapshott folgte ihm zögernd zum Aufzug. Als sie ins Foyer kamen, ging Erlendur zu einem etwas abseits stehenden Tisch in der Nähe des Restaurants, an dem man rauchen durfte. Sie setzten sich, und sofort erschien die Bedienung. Es hatten sich schon wieder einige Gäste beim Büfett eingefunden, das Erlendur nicht weniger verlockend vorkam als am Abend vorher. Sie bestellten Kaffee.
    »It’s very odd«, sagte Wapshott. »Ich war vor etwa einer halben Stunde genau an dieser Stelle mit jemandem verabredet, aber der Mann ist gar nicht aufgetaucht. Er hat mir keine Nachricht hinterlassen, aber dann stehen Sie auf einmal vor meiner Tür und gehen wieder mit mir nach unten.«
    »Wen wollten Sie hier treffen?«
    »Einen Isländer. Er arbeitet hier im Hotel. Er heißt Guðlaugur Egilsson.«
    »Und Sie waren heute hier um halb sieben mit ihm verabredet?«
    »Genau«, sagte Wapshott. »Was …? Wer sind Sie?«
    Erlendur informierte ihn darüber, dass er von der Polizei sei und ging kurz auf den Mord an Guðlaugur ein und die Tatsache, dass sie einen Zettel in seinem Zimmer gefunden hatten, der auf eine Verabredung mit einem Mann namens Henry schließen ließ. Das war also offensichtlich er gewesen. Die Polizei interessierte sich dafür, weswegen sie sich treffen wollten. Erlendur erwähnte nicht, dass seiner Meinung nach Wapshott ganz gut in dem Kabuff des Weihnachtsmanns gewesen sein konnte, als er ermordet wurde. Er sagte nur, dass Guðlaugur zwanzig Jahre lang in dem Hotel gearbeitet hatte.
    Wapshott starrte Erlendur an, während der ihm diese Informationen gab, und schüttelte ungläubig den Kopf, als begriffe er nicht ganz, was er hörte.
    »Ist er tot?«
    »Ja.«
    »Ermordet?!«
    »Ja.«
    »Oh my God«, stöhnte Wapshott.
    »Woher kannten Sie Guðlaugur?«, fragte Erlendur.
    Wapshott schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein, und Erlendur wiederholte die Frage.
    »Ich kenne ihn seit vielen Jahren«, sagte Wapshott endlich und lächelte, sodass man kleine nikotingeschädigte Zähne sehen konnte, bei einigen war die Bissfläche schwarz. Erlendur war davon überzeugt, dass er Pfeifenraucher war. »Wann haben Sie ihn kennen gelernt?«
    »Wir haben uns nie kennen gelernt«, sagte Wapshott. »Ich habe ihn nie gesehen. Ich wollte mich heute Abend zum ersten Mal mit ihm treffen. Deswegen bin ich nach Island gekommen.«
    »Sind Sie nach Island gekommen, um ihn zu treffen?«
    »Ja, unter anderem.«
    »Aber woher haben Sie ihn denn dann gekannt? Wenn Sie ihn nie kennen gelernt haben, was war denn das für eine Verbindung?«
    »Es gab keine Verbindung«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher