Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
Wort.
»Dein Liebhaber?«, legte Hanan dezent vor.
»Ja, das auch. Aber er war noch viel mehr.« Sie schüttelte den Kopf. »Du musst dir mal klarmachen, was das Schwarze Barrio überhaupt war, Hanan. Arme Leute, viele Gauner und Schlägertypen – es hat wahrscheinlich eine große Ähnlichkeit mit diesem Teil von Magasca in der Nähe des Raumhafens.«
»Klingt ziemlich übel.«
»Spaßig war es jedenfalls nicht. Ich hatte als Anbahner angefangen – das ist jemand, der für einen Gauner den Lockvogel spielt oder das Opfer von ihm ablenkt, und habe mich dann auch zum Trickbetrüger ›hochgearbeitet‹.«
»Warst du dabei immer auf dich allein gestellt?«
»Ich war eigentlich nie allein«, sagte Chandris. »Es gab allerdings auch niemanden, der sich wirklich um mich gekümmert hätte. Wenn jemand mich in seiner Nähe duldete, dann hauptsächlich deswegen, weil ich nützlich für ihn war.
Und als ich vierzehn war, lernte ich dann Trilling kennen.«
Sie drehte sich wieder zur Zugangsluke um, weil sie nicht wollte, dass Hanan ihr Gesicht sah. »Anfangs war er wirklich lieb. Er hat sich um mich gekümmert wie sonst niemand zuvor. Hat mir alle möglichen Tricks beigebracht, mich seinen Freuden vorgestellt und mich bei sich wohnen lassen.«
Bittersüße Erinnerungen huschten vor ihrem geistigen Auge vorbei, und sie bekam einen Kloß im Hals. »Was soll ich sonst noch sagen? Er hat sich eben um mich gekümmert.«
Es trat ein kurzes Schweigen ein. »Was ist dann passiert?«, fragte Hanan leise. »Eine andere Frau?«
Chandris schnaubte. »Doch nicht Trilling«, sagte sie. »Er hat immer gesagt, dass er ein Eine-Frau-Mann sei. Soweit ich weiß, ist er mir nie untreu geworden, während ich mit ihm zusammen war. Nein, es lag daran, dass sein Verhalten immer sonderbarer wurde. Ich meine wirklich sonderbar. Er versuchte, Leute auszunehmen, obwohl er sich nicht richtig darauf vorbereitet hatte, und wenn es dann schiefging, ist er ausgerastet. Er hat mich ohne jeden Grund zur Minna gemacht, und dann ist er für ein paar Tage hintereinander in ein dunkles Loch gefallen. Anschließend ist er wieder zu den unmöglichsten Zeiten verschwunden und ausgetickt, als ich ihn fragte, wo er gewesen sei. Und er hat sich zu einem starken Trinker entwickelt.«
»Klingt wie jemand, der sich auf der abschüssigen Bahn zum psychischen Kollaps befand«, sagte Hanan. »Hast du ihm geraten, mal mit jemandem zu sprechen?«
»Ungefähr zweimal die Woche. Aber er ist jedes Mal durchgeknallt, wenn ich es ihm vorschlug. Zumal kaum noch jemand da war, mit dem er überhaupt hätte sprechen können; die meisten seiner Freunde hatten zu der Zeit schon den Abgang gemacht. Sie sagten, es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis er endgültig aus dem Gleis springen würde, und sie wollten nicht in seiner Nähe sein, wenn es passierte.«
»Schöne Freunde«, murmelte Hanan.
»So war das eben im Barrio«, hielt Chandris dagegen. »Es hat niemand etwas für einen anderen getan, wenn dabei nicht auch etwas für ihn heraussprang.«
»Nun …« Hanan kratzte sich die Wange. »Entschuldige, wenn ich das so offen sage, aber du bist bei Trilling geblieben. Und es hört sich auch so an, als ob nur du in diese Beziehung investiert hättest.«
Chandris spürte, dass ihre Lippen sich kräuselten. »Du musst mich nicht auf einen Sockel heben, Hanan. So edel war ich nämlich nicht. Selbst wenn Trilling wirklich mies drauf war, bot er mir immer noch die größte Sicherheit, die ich jemals im Leben gehabt hatte, und die wollte ich nicht verlieren. Oder vielleicht wollte ich mir auch nur nicht eingestehen, dass die Beziehung schon am Ende war. An einem Ort wie dem Barrio belügt man sich oft selbst.«
»Die Leute belügen sich überall oft selbst.«
Chandris zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall kam ich schließlich an einen Punkt, wo ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich beschloss, zu gehen.« Bei der Erinnerung wurde sie plötzlich von einem heftigen Schauder geschüttelt. »Und dann bin ich Vollidiot zu Trilling gegangen und habe ihm gesagt, dass ich ihn verlassen würde.«
Hanan ging einen Schritt auf sie zu und legte ihr den Arm um die Schulter. »Hat er dir wehgetan?«, fragte er sanft.
Chandris schauderte erneut, als die Erinnerungen vor ihrem geistigen Auge vorbei huschten. »Er hat mich nicht einmal angefasst. Er hat nur dagestanden und mich mit einem irren Blick angesehen. Und dann sagte er mir bis ins kleinste Detail, was er mit mir machen würde,
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