Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
selbst.«
»Natürlich«, wiederholte Kosta und versteifte sich plötzlich. Der Engel-Effekt. Ein gefährlicher, fremdartiger Einfluss – und er befand sich sozusagen im Epizentrum dieses Einflusses.
Sie hatten auf Scintara intensiv diskutiert, wie die Engel den Führern des Empyreanums den freien Willen entzogen und ihr Bewusstsein veränderten. Allerdings hatte niemand die naheliegende Frage beantwortet, wie Kosta selbst sich diesem Einfluss entziehen sollte.
Podolak hatte sich zur Tür umgedreht und legte die rechte Handfläche auf die rot umrandete Sensorenplatte, die in die Mitte der Tür eingelassen war. »Sie werden später noch nach unten gehen und Ihre Fingerabdrücke vom Computer nehmen lassen müssen«, sagte sie ihm. Der Rand der Sensorenplatte wechselte auf Grün, und mit einem durch den Druckausgleich verursachten Zischen glitt die Tür auf. »Bis dahin muss Ihr Büro-Kollege oder jemand anders Sie hineinlassen.«
»Was ist denn dort drin?«, fragte Kosta, obwohl das flaue Gefühl im Magen ihm sagte, dass er es wahrscheinlich schon wusste.
Sie sah ihn mit gerunzelter Augenbraue an. »Ihr Engel, natürlich. Kommen Sie mit; ich will ihn Ihnen zeigen.«
Sie ging hinein. Kosta holte tief Luft und folgte ihr.
Die Einrichtung glich der der anderen Labors, die Podolak ihm gezeigt hatte, obwohl der Raum an sich viel größer war als alle anderen. Nur, dass die Ausrüstung ganz anders angeordnet war. Statt der üblichen Gruppierung in Reihen waren die Arbeitstische und Stationen hier in konzentrischen Kreisen um eine brusthohe zylindrische Säule angeordnet, die in der Mitte des Raums aus dem Boden wuchs. Eine Handvoll Leute war im Labor verstreut – über Notebooks beziehungsweise Desktop-Computer und über komplex aussehende elektronische Tafeln gebeugt.
»Sieht nicht so aus, als ob irgendjemand an einem besonders wichtigen Projekt arbeiten würde«, sagte Podolak leise und sah sich um. »Kommen Sie.«
Sie führte ihn zur zentralen Säule, und beim Näherkommen sah Kosta etwas, das eine kleine kristalline Kuppel in der Mitte der ebenen Fläche zu sein schien. Podolak ging dorthin und drehte sich um; und mit einem Ausdruck, der frappierend dem einer stolzen Mutter glich, die ihr Kind vorzeigte, deutete sie auf diese kleine kristalline Kuppel. »Da ist es.«
Es war eher unspektakulär: ein kaum sichtbarer Fleck, trotz der Vergrößerungswirkung durch die ihn überwölbende Kuppel. »Das ist also ein Engel«, hörte Kosta sich sagen.
»Das ist ein Engel«, bestätigte Podolak. »Und wahrscheinlich fragen Sie sich wie jeder andere Besucher, der durchs Institut geführt wird, ob Sie ihn einmal berühren dürfen. Nur zu.«
Das war kein Befehl – aber Kosta spürte dennoch das offizielle Gewicht hinter der Aufforderung. Sie wollte, dass er danach griff; dass er sich in diesen fremden Einflussbereich begab – wie auch immer dieser Einfluss sich manifestierte …
»Aber Sie müssen ihn nicht anfassen, wenn Sie das nicht wollen«, fügte Podolak leise hinzu. »Es besteht kein Zwang.«
Kosta knirschte mit den Zähnen, als die kalte harte Realität sich mit Gewalt einen Weg durch sein Zaudern bahnte. Mit größ ter Wahrscheinlichkeit wäre er in den nächsten paar Monaten buchstäblich von diesen Dingern umgeben – und es gäbe keinen besseren Zeitpunkt als diesen, um ihren Einfluss zu ergründen. Er rüstete sich mental, wobei er versuchte, jede Facette des Bewusstseins gleichzeitig zu beobachten; dann streckte er zögerlich die Hand nach der kristallinen Kuppel aus und berührte sie.
Nichts. Keine Änderung der Gefühlslage, weder spürbar noch unterschwellig. Keine Wahrnehmung fremdartiger Gedanken oder einer Präsenz oder eines solchen Einflusses. Kein überwältigender Drang, sich als Spion zu erkennen zu geben.
Rein gar nichts.
Er zog die Hand zurück und ließ sie an der Seite herabbaumeln, wobei er eine eigentümliche Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung verspürte. Podolak neben ihm nickte. »Ja, das ist die übliche Reaktion. Der Engel-Effekt ist nicht annähernd so dramatisch, wie die meisten Leute glauben.«
Er sah ihr direkt in die Augen. »War das der Zweck dieser Übung? Um unterschwellige Nervosität zu vertreiben?«
Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Ja, Sie haben Recht – das ist einer der Gründe, weshalb wir Neuankömmlinge möglichst bald mit einem Engel in Kontakt bringen. Es soll natürlich nicht allzu offensichtlich sein – die Leute geben nämlich nur
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