Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
Anschließend saß er schweigend da, während sie aus dem Buch vorlas, das er ihr in die Tasche gepackt hatte – woher hatte dieser kriegerische Barbar gewusst, dass sie ohne Bücher, ohne Worte nicht leben konnte? Später begann sie, ihm die komplexen Machtstrukturen des Kaders – und damit die der Welt – zu erklären.
Es war eine ungewöhnliche, wunderschöne Nacht. Ein schemenhafter Traum.
Gegen Jessamys Willen brach schließlich mit einem spektakulären Farbenspiel am Himmel der Tag an. Galen flog sie nach Hause und begleitete sie bis in ihre Küche. Während ihrer Abwesenheit war hier so gründlich sauber gemacht worden, dass sie beinahe geglaubt hätte, sich den Schwall aus tiefstem Rot nur eingebildet zu haben.
»Möchtest du hierbleiben, Jessamy?«
»Ja.« Die Nacht war vorüber, und mit ihr eine Illusion, die ihren Untergang bedeuten konnte. Dieses Zuhause war ihr Hafen, sie hatte Jahre hierfür investiert und würde nicht zulassen, dass jemand es ihr verdarb oder wegnahm.
Galen nickte, wandte sich ab und wollte wieder in den Hof hinausgehen. »Es lässt sich verteidigen, wenn du mit deinem Wachposten zusammenarbeitest.«
»Sicher.« Gemeinsam traten sie wieder in den Morgen hinaus, und Jessamy spürte die warmen Pflastersteine unter ihren Füßen. Ein kühler Windhauch streifte sie, als ein schwarzgeflügelter Engel in der Nähe landete. »Jason.«
Galen wechselte einige leise Worte mit Jason, bevor er Jessamy wieder seine Aufmerksamkeit zuwandte. »Er wird heute auf dich aufpassen. Ich sage dir Bescheid, sobald du wieder gefahrlos in der Schule unterrichten kannst.« Mit diesen Worten breitete er die Flügel aus und schwang sich in den Himmel. Dieses Geschöpf aus reiner, roher Macht jagte nun jene, die sie auf grausamste Weise hatten zum Schweigen bringen wollen.
Sie vernahm das Rascheln von Flügeln.
Sie riss ihre Aufmerksamkeit vom leeren Himmel los und sagte an Jason gewandt: » Ich habe ein Buch für dich zurückgelegt.« Auch dieser Engel gehörte zu den wenigen, die sie nicht unterrichtet hatte – er war einfach eines Tages als ausgewachsener junger Mann in der Zufluchtsstätte aufgetaucht.
Jessamy hatte Jason nie nach seinem Leben vor seiner Ankunft in der Zufluchtsstätte gefragt, aber sie wusste, dass es Narben auf ihm hinterlassen hatte. Seine emotionale Entwicklung war derart beeinträchtigt, dass er Schwierigkeiten hatte, persönliche Bindungen einzugehen. Er strahlte eine durchdringende Einsamkeit aus, die sich in ihrer eigenen widerspiegelte. Doch dieser rätselhafte Engel wahrte sogar Jessamy gegenüber seine Distanz und zog es vor, sich mit Schatten zu umgeben, obwohl sie früher nur eine leise Ermutigung gebraucht hätte, um sich ihm hinzugeben.
»Danke.« Das Licht schimmerte auf seinem glänzenden, schulterlangen Haar, die stufig geschnittenen, ebenholzfarbenen Strähnen beschatteten seine klaren Gesichtszüge und das verwirbelte, mysteriöse Tattoo, das seine linke Gesichtshälfte bedeckte. »Der Vampir, der dich angegriffen hat, wurde zu Alexanders Hof zurückverfolgt. Seine Leute bestreiten, irgendetwas über die Taten des Mannes gewusst zu haben.«
»Was hältst du davon?«, fragte sie, denn trotz seiner Narben – oder gerade deswegen – besaß Jason die Gabe, den Kern der Dinge zu erkennen, ohne sich durch Vorurteile oder Gefühle blenden zu lassen. In vielerlei Hinsicht war er das Gegenteil von Galen, er war so subtil und gewandt wie Galen unverblümt und direkt war.
Ich weiß, wann ich mich zurückziehen und meinen Gegner in Sicherheit wiegen muss … und wann ich zum finalen Siegesschlag ausholen muss.
Sie hatte gesagt, er solle sich nicht um sie bemühen, aber tief in einem sehr geheimen Teil von ihr rief eine Stimme, er solle dranbleiben, sich durchsetzen und sich gewaltsam durch die Barrieren schlagen, die sie ihm in den Weg gestellt hatte. Es wäre gefährlich, herzzerreißend gefährlich, sich auf ihn einzulassen. Aber so sehr begehrt zu werden – das war die späteren Qualen vielleicht wert.
»Ich glaube«, wie dunkler Rauch drang Jasons Stimme in ihr Bewusstsein, »dass Alexanders Hof in diesem Punkt die Wahrheit sagt. Er hat einen ganzen Stall voller Auftragsmörder. Selbst der schlechteste von ihnen ist besser als der Vampir, den Galen hingerichtet hat.«
»Weiß Raphael, dass er sich vorsehen sollte?« Als Hüterin der Geschichte hätte Jessamy in dem drohenden Krieg eine neutrale Position einnehmen sollen, aber sie hatte eine Schwäche für den
Weitere Kostenlose Bücher