Engelstation
giftigen Gedankengut! Ja, hochwürdiger Schiffsführer!«
»Also gut.« Ubu drehte sich zur Kommunikationstafel um und tippte einen Augenblick lang auf die Tastatur ein. Dann drehte er sich wieder zu Zwölf um.
»Ich habe ihn gelöscht.«
»Danke, hochwürdiger Schiffsführer.«
Zwölf dachte wieder an den Illustreifen und erschauerte. Er verspürte ein Triumphgefühl, weil er daran beteiligt gewesen war, ein solches Übel aus der Welt zu schaffen. Aber etwas bereitete ihm immer noch Kopfzerbrechen.
»Hochwürdiger Schiffsführer«, sagte er, »warum haben die anderen diesen Akt des Wahnsinns nicht verhindert?«
»Welche anderen?«
»Die anderen in dem Illustreifen. Die weiblichen Menschen, die gesungen und getrommelt haben. Waren sie keine Verwandten der Frau, die getötet wurde?«
»Das war der Chor, Zwölf. Der greift nicht in die Handlung ein, sondern kommentiert sie nur.«
Zwölf ließ sich das durch den Kopf gehen. »Dann waren sie ebenfalls schlecht. Sie hätten eingreifen sollen.«
»Der … der Chor repräsentiert die normalen Menschen. Normale Menschen können nicht alles Übel in der Welt verhindern.«
»Der Mord ist direkt vor ihren Augen passiert. Es war schändlich von ihnen, daß sie nicht versucht haben, ihn zu verhindern.«
Einen Moment lang war es still.
»Zwölf«, sagte Ubu, »ich finde, du solltest dir keine Illustreifen mehr anschauen.«
»Einverstanden. Meine Gedanken könnten von bösen Göttern vergiftet werden.«
»Hör dir nächstesmal Musik an.«
»Ja, gern, hochwürdiger Schiffsführer. Ich werde deinen Wünschen Folge leisten.«
Sie ließen Zwölf mit seinen Gedanken allein. Grimmige Befriedigung erfüllte ihn, als er daran dachte, daß er mitgeholfen hatte, Gift zu vernichten.
Die Geliebte würde sich freuen, da war er sicher.
»Hätte nie gedacht, daß ich mal stundenlang mit einem Alien über Theologie und Ethik diskutieren würde«, sagte Ubu. »Jesus Ristes.«
»Der heilige Charakter der Mutterschaft«, sagte Maria. »Das hat mir gefallen.«
Ubu nahm die Kopfgarnitur und den Holoprojektor ab und streckte seinen Hals und seine Arme. »Jetzt hab ich mir all diese Daten über klassisches Mudville-Drama ins Hirn eingelesen. Was soll ich nun mit dem Zeug anfangen?«
»Wenigstens ist unser Passagier nicht gestorben.«
»Ich möchte wissen, was passiert, wenn er auf die Idee kommt, daß wir von Apollos Gedanken infiziert sind. Was ist, wenn er zu dem Schluß kommt, daß unsere Gehirne eine Gefahr für die Geliebte sind?« Er kletterte die letzten paar Sprossen der Zentrifugenleiter hinab und sprang auf die blaue Plastikfläche darunter. Ein neuer Riß im Plastik zerkratzte seinen nackten Fuß. Er trat zurück und rieb sich die Sohle.
»Shit«, sagte er. »Muß ich mal reparieren.« Die schöne Maria sprang von der Leiter. Sie griff sich in den Nacken, nahm ihren langen Zopf und begann ihn aufzudröseln.
Ubu begab sich zum Kommandokäfig. »Ich überprüfe unseren Standort«, sagte er. »Dann sollten wir uns vor dem nächsten Schuß ein bißchen hinlegen.«
»Hat keine Eile.«
Ubu merkte, wie in seinem Innern Ärger aufzuckte. »Ich will’s hinter mich bringen.« Er ging zur Navigationsstation und sah sich den Kurs an. Die Runaway war schon viel näher an der Zivilisation.
Maria kam leise hinter ihm angetappt. Er spürte, wie sie ihr Haar ausschüttelte, und dachte an die dunkle Wärme, mit der es sich über ihre Schultern und ihren Rücken ergoß. Maria drehte sich um und ging weg, in Richtung zum Salon.
Die Dinge ändern sich , dachte er. Zum Teufel damit.
15. Kapitel
Die gefräßige Singularität der Runaway verschlang die Lichtjahre mit einem gewaltigen Schluck nach dem anderen. Jedesmal, wenn das schwarze Loch in Aktion trat, spürte Ubu, wie seine Unrast wuchs, als ob ihm jeder Sprung eine weitere Dosis zorniger, zielloser Hornissenenergie einflößen würde.
Er schien so gut wie keinen Schlaf zu brauchen. Mit einem Beutel voller Werkzeug strich er in der Runaway umher und reparierte alles, was kaputt war, setzte Geräte instand, die schon jahrzehntelang nicht mehr funktioniert hatten. Er flickte den gerissenen Kunststoff am Fuß der Zentrifugenleiter und suchte im Computer-Nachrichtenfax nach Listen erfolgreicher Anwälte im Bezel-System. Zweimal hörte er die Stimme seines Vaters im einen oder anderen Teil des Schiffes schwadronieren. Er beachtete sie nicht.
Diesmal tauchte die Runaway tiefer in den von Menschen besiedelten Raumsektor ein, sprang
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