Engelstation
an Angelica und der Grenze vorbei nach Bezel, dem nächsten größeren Handelszentrum. Auf der Bezel-Station konnten die Präparate zum besten Preis losgeschlagen werden; die juristischen Probleme würden rasch von einem permanent tagenden Marinegericht geregelt werden, so daß sie nicht auf den Richter warten mußten, der periodisch bestimmte Raumbezirke aufsuchte, und wenn alles schiefging, würden Ubu und Maria auf einem Mudville eingesperrt werden, das seit einem Dutzend Generationen bewohnt war, und nicht auf einem frisch besiedelten, halb zivilisierten Planeten wie Angelica.
Ubu verbrachte nicht viel Zeit mit Zwölf, aber wenn er durch die schwerelosen Bereiche des Schiffes kam, konnte er den Sizer hören, der mit diversen Rhythmen und verschiedenen Tempi die Fürsorge und den Trost der Geliebten spendete. Manchmal hörte er auch menschliche Musik. Am besten schien Zwölf synkopische Musik und eine treibende Rhythmussektion zu gefallen.
Von der schönen Maria, die mehr Zeit mit Zwölf verbrachte, erfuhr Ubu mehr über ihren Gast. Zwölf hatte sich nach der Funktion des Katers erkundigt. Als er die Antwort erhielt, daß Maxim keine hatte, geriet er beim Gedanken an die parasitische Natur des Katers ganz aus dem Häuschen, bis Maria es sich nochmals überlegte und ihm erklärte, daß Maxims Funktion darin bestünde, Menschen Freude zu schenken. Damit schien Zwölf zufrieden zu sein. Soweit Maria verstand, war Freude ein Gefühl, das Zwölf von jemand anderem zugeführt wurde und nicht aus ihm selbst kam. In Zwölfs Augen war Maxim von nun an eine Art Wanderpokal, eine Belohnung, die sich den Menschen anbot, wenn sie etwas besonders Nützliches getan hatten.
Der Nahrungsbehälter, den Zwölf an Bord gebracht hatte, enthielt eine gräuliche, feste Masse, die wie vergammelte Bohnengallerte roch und im übrigen einem besonders ekligen Weichkäse ähnelte. Zwölf pflegte mit seinen Innenfingern Stücke davon abzuschneiden und dann an seine Mundgebilde weiterzureichen – Fühler, in denen die Funktionen von Riechen und Schmecken vereint waren. Diese klopften und strichen die Masse in kleine runde Kügelchen von eßbarer Größe und warfen sie in Zwölfs Mund, wo sie anscheinend im Ganzen verschluckt wurden. Der Vorgang sei kein erfreulicher Anblick, sagte Maria.
Die merkwürdigen rauhen Flecken auf Zwölfs Brust und Rücken waren so etwas wie ein genetisches Überbleibsel eines Exoskeletts, wie Maria erfuhr. Wenn die Geliebte Soldaten züchtete, entwickelten sich die Schwielen zu Panzerplatten; bei anderen Arten von Willensfreien blieben sie rudimentär.
Die schöne Maria fand auch heraus, daß Zwölf in genetischer Hinsicht ein Männchen war. Er hatte männliche Gene, aber weder Fortpflanzungsorgane noch etwas, was auch nur annähernd einem Sexualtrieb ähnelte. Sein männlicher Genotyp war ein zufälliger Bestandteil seines Erbguts, nicht mehr. Maria entnahm Zwölfs Äußerungen, daß er noch nie von einem funktionstüchtigen Männchen in seiner Spezies gehört hatte und den Gedanken auch ziemlich abscheulich fand.
Zwölf lernte mit bemerkenswerter Geschwindigkeit Sprechen. »Sein Gedächtnis ist fast so gut wie unseres«, teilte Maria Ubu mit. Diese Information brachte in Ubu eine Schicht von Traurigkeit an die Oberfläche, als er sich Zwölf vorstellte, wie er im Hilfskontrollraum schwebte und die fremde Sprache in sich aufnahm, ohne auch nur einen Bruchteil davon wieder loswerden zu können. Vielleicht war die Gedankenvergiftung bei Zwölfs Spezies keine Metapher, sondern Wirklichkeit, eine echte Kontamination, die in die Struktur des Gedächtnisses eingeschrieben wurde wie ein Bakteriophage in menschliche Gene, eine Vergiftung, die von einem Individuum ans andere weitergegeben und nur mit der Vernichtung der Gehirne ausgemerzt werden konnte, die von ihr befallen waren …
Weitere Lichtjahre flammten im transportablen Inferno der Runaway auf und starben. Ubu hatte seine einleitenden Funkbotschaften vorbereitet und seine Anwälte ausgewählt.
Sein Körper zuckte vom unterdrückten Bewegungsdrang. Energie setzte seine Nerven in Brand.
Die Runaway machte ihren Sprung ins System hinein, wobei Maria wie immer den Schuß durchführte.
Als Maria die Stimantennen zurückschob, benommen von ihrem Sessel aufstand und sich Schweiß vom Gesicht wischte, wurde das Bezel-System auf Ubus Navigationsschirmen von einer Sekunde zur anderen holographische Realität. Die Runaway hatte noch einen Flug von fünfzehn Tagen
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