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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Null-ge-Netz an sein Computerterminal geschnallt. Ein Espressoballon klebte mit seinem Klettstreifen auf dem Schreibtisch. Jesus Ristes hing im gemalten Todeskampf an der Wand hinter ihm.
    »Schiffsführer, Juan hat mir gesagt, ich sollte …«
    »Ja.« Der Blick des Schiffsführers war immer noch auf sein Terminal gerichtet. Marco hob jetzt einen Inhalator an seine Nase, drückte darauf und sog die Luft ein.
    »Ich würde gern duschen, wenn du Zeit hast. Ich hab überall Schmierfett am Körper.«
    Erst da wandte Marco sich ihm zu. Im grellen Licht von oben sah es so aus, als ob seine Augen in ihren gelblich verfärbten tiefen Höhlen verschwunden wären, wie die einsinkenden Augen eines Totenschädels. Kit bemühte sich, nicht zurückzuzucken.
    »Ich kann ebensogut in der Dusche mit dir reden wie anderswo«, sagte Marco.
    Die Espressomaschine zischte erneut. Marco speicherte seine Arbeit am Computer ab, schaltete ihn aus und schlüpfte aus seinem Netz. Er ließ die Gurte an seinem Platz in der Luft hängen, griff sich seinen Espressoballon und stieß sich mit einem knorrigen Fuß ab.
    Kits Nacken kribbelte, als Marco ihm zielstrebig durch den Korridor folgte. Der Geruch bratender Zwiebeln wehte aus der Kombüse herab und vermischte sich mit dem Duft parfümierter Kerzen im blau gestrichenen Schrein der Jungfrau Maria. Kit flog an dem Schrein vorbei und bog in die Kabine ab, die er sich mit seinem Bruder teilte. Die Wände waren mit Plakaten von Illustreifen und Holopornos bedeckt. Dreidimensionale Schamlippen wie auf einem Trompe l’oeil folgten ihm, als er zur Tür der Dusche schwebte.
    Kit machte sie auf und wand sich, um seinen Lendenschurz abzustreifen. Er konnte ein paar der jüngeren Kinder nebenan lachen hören. Ihre Stimmen waren lauter als der Zeichentrick-Illustreifen, den sie sich ansahen. Marco, dessen Muskeln selbst bei Schwerelosigkeit schlaff herabhingen, schwebte in den Raum und kam neben Juans Bett zum Halten.
    »Die Runaway ist im Stationsbereich«, sagte Marco.
    Kit spürte, wie es ihm kalt über Arme und Schultern lief, als er sich in die Dusche schwang.
    »Ich weiß.« Er bemühte sich, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben.
    »Hast du deine Süße schon gesehen?«
    »Ich dachte, du hättest was dagegen.« Kit mied Marcos Blick, als er die Tür zur Dusche zuzog. Furcht vollführte einen nervösen Tanz in seinem Herzen. Er stellte das Absauggebläse und dann das Wasser an. Perfekte, kristallene Kügelchen quollen aus den schwarz umrandeten Kunststoffdüsen und platzten, wenn sie auf Kits Haut auftrafen. Drei nackte holographische Frauen betrachteten ihn begehrlich. Marcos Schatten zeichnete sich auf dem Kieselglas der Tür ab. Seine Stimme übertönte das Rauschen der Dusche.
    »Sie und ihr Bruder haben ihre Probleme mit dem Gesetz beigelegt. Sind mit der wertvollsten Fracht reingekommen, die je einer gesehen hat.«
    Kit atmete vorsichtig durch das Sieb seiner Zähne, wie um nicht zu ertrinken. Er griff nach dem Waschmittelspender und drückte auf den Auslöser. Weißer, weicher Schaum quoll in seine Handfläche. Kit sah zu, wie Hochdruck-Wassertropfen die perfekte Oberfläche sprenkelten, bevor er ihn über seine Hände und seine Arme strich. Er war froh, daß er Marco nicht in die Augen schauen mußte.
    »Achtundzwanzigtausend Tonnen erstklassiger pharmazeutischer Präparate«, fuhr Marco fort. »Die Runaway hat ihre gesamte Frachtkapazität ausgenutzt. Wann hat eins von unseren Schiffen das zum letztenmal geschafft, hm? Und das Zeug kann nicht gestohlen sein, denn inzwischen hätte es jemand bemerkt, wenn so viel fehlt.« Kit sah, wie Marcos Schatten eine Hand hob, um sich Espresso in den Mund zu spritzen. Als die Stimme von neuem ertönte, war sie lauter. »Hörst du mich, Kleiner? Ich führe hier keine Selbstgespräche zu meiner Erbauung.«
    »Ich hör dich!« rief Kit so laut er konnte. Vielleicht konnte er Marco dazu bringen, dachte er, ihn den ganzen restlichen Nachmittag über anzuschreien.
    Marcos Stimme war lauter, als er weitersprach. Eins zu null für mich, dachte Kit. »Der Stoff war in Standardbehältern, nur daß diese aus einem merkwürdigen Zeug bestanden, aus irgendeinem harzartigen Material. Wie man sowas herstellt, weiß man schon seit langer Zeit, aber wozu die Mühe? Legierungen sind billiger.« Weißer Schaum mit orangeroten Streifen ergoß sich wie ein Wasserfall von Kits Körper und rann spiralförmig in den Abfluß. Wassertröpfchen wollten ihm in die Nase

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