Engelstation
Fetzen aus blutigem Fleisch, als er mit der Band mitzuhalten versuchte, und keiner wußte, was er tun sollte.
Ubu sah Antony an und zeigte ihm ein ermutigendes Lächeln. Das war auch so ungefähr das einzige, was ihm im Augenblick einfiel. Das Lächeln gefror auf seinem Gesicht, als er zum Ende der Phrase vorauszählte und einen Ausweg suchte, während seine Finger automatisch arbeiteten. Die Phrase ging zu Ende, bevor er richtig bereit war, aber er holte tief Luft und schnitt den letzten Ton mit einer Serie von drei Akkorden ab, die die Gitarre wieder in Antonys Stimmlage zurückbrachten.
Zum Glück folgten ihm alle. Ubu warf Nestor ein weiteres, selbstbewußteres Lächeln zu und beschränkte sich sodann darauf, bis zum Ende des Songs dezent im Hintergrund zu bleiben.
Seine Finger wurden taub. War sowieso an der Zeit, aufzuhören.
»Danke, Schiffsführer.« Er schaltete die Gitarre aus und stellte sie wieder auf ihren Ständer. »Tut mir leid wegen dem letzten Song.«
»Kann vorkommen.« Nestor schien jetzt nachsichtiger zu sein, weil Ubu doch noch einen Ausweg aus der Katastrophe gefunden hatte, die er beinahe ausgelöst hätte.
»Noch mal vielen Dank.«
»Hat Spaß gemacht.« Das kam von Sara. Ubu grinste ihr zu und stieg von der Bühne.
Bei den Autoladern gab er Sig die Audoline zurück und hüpfte dann durch eine Verbindungsröhre eine Ebene zum Liegeplatz der Runaway hinunter. Die zweite Schicht war halb um, und es wurde langsam Zeit, die Triebwerke anzuwerfen und von der Station abzuhauen.
Unterwegs trank Ubu sein Bier aus und steckte den Ballon in die Tasche. Als er die Zahlenkombination in die Schleuse des Dockschlauchs der Runaway eingab, fragte er sich, ob Kit de Suarez bei der schönen Maria war. Er hatte die meisten Tage an Bord verbracht und war dann heimgegangen, um auf der Abrazo zu schlafen; anscheinend wollte er nicht, daß jemand von seiner Familie etwas von seinen Treffen mit der schönen Maria erfuhr. Das alles – besonders die Tatsache, daß Kit nicht bei ihnen auf dem Schiff schlief – war Ubu durchaus recht.
Ubu eilte durch den Schlauch, öffnete die Innenschleuse und sprang nach vorn, als die Luke nach oben glitt. Er schrie erschrocken auf, aber es war zu spät. Hände packten zwei seiner Handgelenke. Ubu erhaschte einen flüchtigen Blick auf grüne Uniformen, gelbe Gürtel und Schulterklappen. Entsetzen raste blitzartig durch seine Nerven. Programmierte Schlangen aus Metall und Plastik ringelten sich um seine Handgelenke. Starke Arme zerrten ihn hoch. Ubu stand wie gelähmt da. Alle vier Hände waren gefesselt.
»Ubu Roy.« Der Cop war mittleren Alters und hatte einen Schnurrbart. Seine beiden Gehilfen waren jünger und muskulöser. Der ältere Cop gab Ubu ein Printout.
»Sie sind verhaftet. Diebstahl, Bankbetrug, Datenfälschung. Die Runaway und ihr Inhalt werden von der OttoBanque zwecks Tilgung des durch Fälschung erschlichenen Kredits beschlagnahmt.«
Ubu starrte ihn an. »Wo ist meine Schwester?« »Die werden Sie bald zu sehen bekommen. Wir haben sie heute nachmittag festgenommen.«
»Ich verstehe das nicht.« Mit Nachdruck in der Stimme.
»Lesen Sie den Haftbefehl, Schiffsführer.« Der Cop war müde. Er hatte das schon oft gemacht. »Ich bin bloß ein Laufbursche, Ubu Roy«, sagte er. »Wenn Sie eine Erklärung haben wollen, nehmen Sie sich einen Anwalt, Der wird dafür bezahlt, das zu verstehen. Ich nicht.«
Ubu ließ sich von ihnen wegschleifen. Er dachte an Mudville, an das Leben als Minderjähriger auf Angelica.
Er dachte an seine Schwester. Der Schmerz raubte ihm den Atem.
5. KAPITEL
Die schöne Maria ging zur Tür des Pennrohrs und drückte auf die Taste, die sie öffnete. Sie bückte sich und trat ein.
Ubu sah sich einen Holo-Illustreifen an. Er hatte die oberen Hände hinter dem Kopf verschränkt. Raumpiraten unter Führung von Phil Mendoza mordeten und schändeten in der Luft vor seinem Gesicht. Im Mülleimer waren leere Bierflaschen. Carnitas lagen unberührt in einem Pappbehälter auf dem Boden neben seinem Bett. »Ich geh spazieren«, sagte Maria. »Kommst du mit?« Ubus Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. »Glaub nicht«, sagte er.
Sie hockte sich neben ihn. »Du mußt mal raus hier.« Holographisches Blut spritzte im Raum zwischen ihnen herum. »Finde ich nicht«, sagte er. »Wir können ja nirgends hin, oder?«
Maria sah ihn an. »Ist dein Schuß.« »Erinner mich nicht daran.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Illustreifen
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