Engelstation
Gleichungen und machten das Ergebnis problematisch; dann war da noch das Problem des Strahlungsausbruchs, der einen Schuß begleitete und jeden verbrennen konnte, der zu dicht beim Austrittspunkt der Runaway aus dem Realraum war.
»Nein«, hörte sie Ubu sagen, »ich möchte keinen Notfall anzeigen. Wir melden uns gleich wieder, Engel Control.«
Anflugbahnen zum Schuß dehnten sich in Marias Geist. Die Bergwerke auf dem Mond waren nur unzureichend gegen Strahlung geschützt, und in der Gegend flogen noch weitaus ungeschütztere Raumfahrzeuge herum. Muster und Flugbahnen flammten im Bild auf; der minimale Sicherheitsabstand wurde als eine ständig in Bewegung befindliche grüne Kugel angezeigt, deren Mittelpunkt die Runaway war.
»Bei dieser Beschleunigung haben wir noch vier Minuten bis zum Schuß«, sagte Maria. Mit einem geistigen Impuls leitete sie den Countdown ein.
»Jesus Ristes. Ich glaub’s einfach nicht. Sie befiehlt uns, die Triebwerke abzuschalten und auf den Marinekutter zu warten.«
»Wir sind in einem anderen Jetzt, ehe die Marine ihren Kapitän auch nur aus dem Bett geholt hat.«
Ubus Ärger war ungemildert. »Und was ist, wenn sie eine Rakete auf uns abfeuern? Dafür werden wir bezahlen müssen.«
Maria lachte. »Wir werden die Engelstation kaufen können, wenn wir zurückkommen, stimmt’s? So lautet der Plan, hab ich recht?«
»Warum lassen die uns nicht in Ruhe?«
»Schnall dich an und laß mich den Schuß machen.«
Maria öffnete die Augen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Ubu das Funkgerät mit einem vorschnellen Finger abschaltete. »So«, sagte er. »Jetzt hält das Miststück die Schnauze.«
»Nun sei doch nicht so aufgeregt. Wir sind ihnen entwischt, oder?«
»Ja.« Widerwillig. »Okay.« Er betätigte eine andere Kontrolltaste. »Du hast das Kommando.«
Eine andere Bewußtseinsebene überflutete die Wahrnehmungen der schönen Maria. Sie spürte die Kraft des Partikelstrahls, die Materie, die beinahe aus dem schwarzen Loch im Herzen der Runaway entkam und dabei verbrannt wurde.
Die Singularität loderte in Marias Gedanken; ihr dunkles Gewicht wurde von ihrem Magnetnetz im Gleichgewicht gehalten. Berechnungen, die sich unaufhörlich änderten, rasten zu schnell durch den Sprungcomputer, als daß Maria sie erfassen konnte. Displays flimmerten, nahmen geringfügige Veränderungen des Kurses und der Flugbahn vor. Auf dieser Ebene konnte Maria die Dinge nicht beeinflussen; ihre Arbeit würde beginnen, wenn der Countdown endete.
Die Runaway überschritt die Sicherheitslinie; niemand war mehr so nahe, daß er bei dem Schuß gebraten werden würde. Der Countdown dauerte nur noch Sekunden.
Der Strahl erlosch. Maria schwebte schwerelos in ihren Gurten. Warnlämpchen blinkten; ein leiser Ton kam aus den Lautsprechern.
Der Countdown endete. Die machtvollen Magnetfelder, die die Singularität umschlossen, öffneten eine kleine, aber genau berechnete Schneise.
In einem winzigen Sekundenbruchteil verschlang das Schwarze Loch, das im Innern des Schiffes lebte, die Runaway und alles in ihr.
Maria war im Jetzt.
Das Schiff selbst war aus ihrem Blickfeld verschwunden. Sie beschleunigte mitten durch einen strahlend hellen Tunnel und ließ eng umgrenzte Magnetfelder auf die Oberfläche einer lichtlosen Sonne rinnen. Über ihr wirbelte das Universum immer schneller, immer heller vorbei; sein weißes Licht wurde zu gewaltigen Regenbogen. Die Totenklage sterbender Materie klang ihr in den Ohren.
Im Jetzt war die Zeit tatsächlich weiter fortgeschritten; es war ein Sprung auf der Zeitachse nach oben. Der Schußcomputer bestand aus übereinandergeschichteten Reihen von Makroatomen, die Daten jeweils schneller als das Licht übertrugen und der Realzeit immer einen Schritt voraus waren. Maria erlebte das Eintauchen der Runaway in die Singularität eher, als es tatsächlich geschah, so daß noch Zeit war, das Muster zu ändern.
Bei seinem Sturz in den Stern wurde – würde – das Schiff auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt: Der verschwindend kleine Bruchteil einer Pikosekunde, in dem die magnetischen Fesseln der Singularität in der Runaway gelöst wurden und das Schiff verschlungen wurde, dauerte für Maria fast eine Stunde.
Es war eine Stunde, in der sie sehr viel zu tun hatte. Auf dieser Mikroebene des Daseins war die Struktur der Singularität nicht gleichförmig. Flammenzungen brachen aus dem Nullherz der Singularität hervor und sandten Strahlung in alle Richtungen,
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