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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Neurosaft-Inhalator in jedes Nasenloch schob und ihn auslöste. Marco schniefte und wischte sich mit der Rückseite eines knotigen Zeigefingers die Nase ab. Er nahm ein Glas Grapefruitsaft vom Klapptisch in der Kombüse und trank einen Schluck.
    »Kann sein, daß sie eine Belohnung aussetzen, wenn das Schiff gestohlen worden ist. Du weißt nicht, wohin Pascos Ubu will, oder?«
    Kit schüttelte den Kopf. Marco hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn anzusehen, als er die Frage stellte. Kit fühlte sich leer, als hätte er Gewicht und Substanz verloren, und fragte sich benommen, warum er nicht willkürlich wie ein Brownsches Partikel in der Kombüse der Abrazo herumflog.
    Marco spielte mit seinem Inhalator, während er angestrengt nachdachte. »Kein Ruhm, keine Kohle. Scheiße. Mir ist es piepegal, ob Ubu über die Grenze will. Er wird’s nicht überleben, aber das geht mich nun absolut nichts an.« Sein Blick richtete sich auf Kit, und Kits Nerven wurden kalt.
    »Da bist du noch mal billig davongekommen, Kleiner«, sagte Marco. »Du hast was gelernt, und es hat die Familie nichts gekostet.«
    »Ja, Schiffsführer.«
    »Es wird immer Leute geben, die dich benutzen wollen, Kit.« Seine Stimme klang geduldig. »Sie werden aus jeder Schwäche, die du zeigst, ihren Vorteil ziehen. Hast du das begriffen?«
    »Ja, Schiffsführer.«
    »Ist dir klar, wie du benutzt worden bist?«
    »Ja, Schiffsführer.«
    Marco lächelte träge. »Erzähl’s mir.«
    Kit fühlte sich sehr allein, als er dort so auf den kühlen Fliesen des Kombüsenbodens stand. »Ich …«, begann er, dann stockte er. Marcos Lächeln gefror.
    »Pascos Maria hat dich dazu gebracht, für sie das Gesetz zu brechen. Du hast dich in Gefahr begeben, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, weil du geglaubt hast, sie würde sich was aus dir machen – bloß weil sie dir erlaubt hat, dich blind und blöde zu ficken. Hab ich das richtig verstanden?«
    Kit schloß die Augen. Warme Feuer brannten hell hinter seinen Lidern. »Ja, Schiffsführer.« Es konnte durchaus stimmen. Er dachte, daß dies vielleicht nicht alles war, aber er war sich wirklich nicht mehr sicher, und Marcos Version der Ereignisse konnte durchaus stimmen, wie die Dinge standen. Er wollte nur, daß diese Nacht endlich vorüber war.
    »Ich habe dir schon all die miesen Jobs auf dem Schiff gegeben«, sagte Marco im Plauderton. »Deshalb kann ich dich kaum noch härter rannehmen, um dir zu zeigen, daß du keine derartigen Fehler machen solltest. Also werden wir dich die miesen Jobs einfach noch ein bißchen länger machen lassen, okay?«
    Kit öffnete die Augen. Er merkte, daß er hin und her schwankte. »In Ordnung, Schiffsführer«, sagte er. »Ganz wie du meinst.«
    »Geh schlafen!«
    »Ja, Schiffsführer.«
    Kit wankte benommen zu seiner Koje, fiel hinein, schlug einmal auf, federte zurück und blieb schließlich liegen. Er dachte an Maria und fragte sich, ob Ubu und ihr wohl die Flucht gelingen würde. Seine ganze Wut war verschwunden, war von Marcos Gift weggeätzt worden. Was übrigblieb, war die Sehnsucht und das Gefühl seiner eigenen Unvollkommenheit.
    Er wünschte sich, auf der Runaway zu sein, alles hinter sich zu lassen und zu neuen Ufern aufzubrechen.

    Ubu schaute auf die Radar- und Transponderschirme. Keine Schiffe in der Nähe, niemand in Reichweite, der vom Partikelstrahl geröstet werden konnte.
    »Zehn Sekunden bis zur Zündung.«
    Ubu löste den Countdown aus. Eine weitere Reihe holographischer Ziffern begann aufzublinken. Ausströmdüsen schwenkten in eine neue Lage. Materie strömte in die Singularität und erzeugte gewaltige Energien, die nur von den Magnetfeldern im Zaum gehalten wurden.
    Die Felder verwandelten sich und ließen Plasma durch die Triebwerksdüsen strömen. Ein tiefes Summen ging durch den Rumpf des Schiffes. Ubu spürte es in den Knochen. Die Beschleunigung wuchs langsam; die Masse des Schiffes wurde nicht mit einem plötzlichen Stoß ins All geschleudert, sondern nahm allmählich Fahrt auf. Der Kommandokäfig schwang in seiner Aufhängung herum und orientierte sich neu in der Schubrichtung.
    Der Flugplan, den er Angelica Control durchgegeben hatte, enthielt diese Brennphase und eine Umrundung von Angelicas größtem Mond, gefolgt von einem Bremsmanöver und der Rückkehr zur Engelstation. Statt dessen hatte Ubu vor, den Mond zu benutzen, um sich in den tiefen Raum hinauszukatapultieren, und dann den ersten Schuß durchzuführen, sobald er in sicherem

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