Engelstation
Zwölf, würde natürlich ein Allgemein-Willensfreier geschickt werden, um die Einzelheiten zu regeln. Ein Herrscherwesen wie Ubu würde es für unter seiner Würde halten, seine Zeit mit dieser Angelegenheit zu verschwenden.
Zwölf war erleichtert. Der Umgang mit einem unabhängigen, intelligenten Lebewesen – selbst einem so beschränkten wie Ubu – hatte dazu geführt, daß er ständig am Rand der Panik war. Aus Angst, daß der letzte Fehler sein Ende bedeuten könnte, sorgte sich Zwölf, daß er beim Verhandeln nicht so effektiv sein würde, wie es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
Die Aussicht, mit einem schönen Maria zusammenzutreffen, verringerte seine Nervosität. Ein Maria war eine Gattung von Willensfreien, nahm er an; schön würde wohl eine Untergruppe davon sein. Dieser Typus war wahrscheinlich ›schön‹ gemacht worden – was immer das in der menschlichen Sprache bedeuten mochte –, um seinen Wert als Unterhändler zu erhöhen; Menschen, die auf ihn trafen, sollten zweifellos durch seine ästhetischen Qualitäten abgelenkt werden, so daß ihre Konzentration nachließ. In dieser Hinsicht machte sich Zwölf keine Sorgen.
Für Zwölf gab es nur eine Definition von Schönheit: das, was die Geliebte erfreute und ihr diente.
Als es schließlich soweit war, stellte Zwölf fest, daß der schöne Maria dem Schiffsführer ziemlich ähnlich sah: Haare und Augen waren dunkler, die Hüften breiter; das Wesen besaß zwei Arme weniger, hatte jedoch ansonsten die gleiche nicht spezialisierte menschliche Gestalt. Zwölf schloß daraus, daß Menschen sich nicht sehr stark voneinander unterschieden. Jedenfalls merkte er nichts davon, daß die Schönheit des Wesens auf ihn wirkte, falls sie in der äußeren Erscheinung lag. Vielleicht war sie auch hormoneller Natur, und der Schutzanzug verbarg sie.
Die Verhandlungen wurden formell und präzise eröffnet. Der schöne Maria bot eine künstliche Intelligenz an, die das Schiff durch Singularitätssprünge führen konnte, und erklärte, daß eintausendfünfhundert Tonnen von der ersten Probe die angemessene Bezahlung wären. Zwölf begann zu feilschen. Und dann durchflutete ihn eine verwirrende Erkenntnis.
Schöne Maria war weiblich .
Zwölf war entsetzt. Weiblichkeit schien mit Recht eine Eigenschaft zu sein, die für die Geliebte reserviert war, für ein intelligentes, nahezu göttliches Wesen. Der Gedanke eines Allzweckweibchens war ein wenig blasphemisch. Noch schlimmer war die Feststellung, daß die weibliche Maria im Rang unter der männlichen, dominanten Intelligenz stand. Zwölf merkte, wie er zu zittern begann. Er zwang sich mit schierer Willenskraft dazu, seinen Geist zu schließen, und versuchte, die beunruhigende Erkenntnis abzublocken. Vielleicht war die schöne Maria steril.
Er würde versuchen, diese beruhigende Vorstellung beizubehalten.
»Wir finden die Idee einer künstlichen Intelligenz kurios«, tippte er. »Möglicherweise könnten wir noch weitere Geräte abnehmen, um damit auf den Kuriositätenmarkt zu gehen.«
Obwohl er ein bißchen unbeholfen war und häufig Fehler machte, ging die Verständigung mit seiner neuen Tastatur viel schneller. Die Tasten waren von der Größe her nicht ganz für seine Innenfinger geeignet, aber er wurde immer geschickter.
Der Mund der schönen Maria bewegte sich hinter ihrer transparenten Sichtscheibe. Zwölf las die schriftliche Übersetzung, die ohne Zeitverlust über ihrem Kopf erschien. Er war froh, daß er ihre Sprache nicht lernen mußte; das Lesen der Übersetzung verlangsamte das Tempo der Verhandlungen und erlaubte ihm, seine Gedanken besser zu sammeln.
»Dir ist doch sicher klar, daß wir nur von der Hardware gesprochen haben«, sagte Maria.
Eine unangenehme Vorahnung begann in Zwölf aufzukeimen. Das war ihm ganz und gar nicht klar gewesen.
»Zwölf ist ein Trottel.« Maria tappte mit vom Duschen geröteter Haut durch die Kombüse und nahm einen Teller mit Fleischspießchen von Ubu entgegen. Sie hob den Deckel des Dampfkochtopfs ab und sah gefüllte Klöße. Der Geruch von Knoblauch stieg wie eine ätherische Wohltat auf.
»Ich hab mich von ihm auf neunhundert Tonnen für die erste KI runterhandeln lassen. Dann hab ich ihm erklärt, daß die Software nicht inbegriffen sei. Er wollte wissen, ob wir irgendwelche Behälter für das Zeug hätten, aber sowas besitzen wir natürlich nicht. Als nächstes hab ich ihm erzählt, daß man mit der Software ohne Bedienungsanleitung nicht viel
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