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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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sie seinen Blick zu erwidern versuchte; sie konnte sich nicht entscheiden, in welche Pupillen sie schauen sollte.
    »In meiner Spezies gibt es viele verschiedene Körperformen«, sagte Zwölf. »Wir können nicht mit Gesten oder Mienenspiel kommunizieren, sondern nur mit Tönen. Deshalb ist unser Organ zur Tonerzeugung sehr flexibel; es kann sehr raffinierte und höchst unterschiedliche Geräusche hervorbringen. Ich werde es demonstrieren.«
    Durch Marias Raumanzug kam ein rasselndes, hohes Trommeln, das sich über das dumpfe Pochen der Geliebten legte. Das neue Geräusch schien von Zwölf statt von der Geliebten zu stammen. Dann begann es sich in Tempo und Intensität zu ändern. Der Klang einer fernen Sirene gesellte sich zu der Mixtur. Das Trommeln verebbte, und Vokallaute begannen sich zu formen: ouwww, oieee ohhh. Im Hintergrund heulte immer noch die Sirene.
    Verblüffung hallte wie ein Glockenschlag durch Maria, und sie ließ ein kurzes, entzücktes Kichern hören. Sie sah, daß die Geräusche nicht aus Zwölfs Mund kamen, sondern aus seinem Kopf. Die leichte Vertiefung oben auf seinem Kopf vibrierte wie die Membran eines Lautsprechers und produzierte dabei die Abfolge der Laute.
    Bow! Pai! Kiieee! Maria dachte an die Sprechblasen eines Comicstrips, an die Geräusche heroischer Gewalt, wenn die Faust an die Kinnlade krachte oder Hochgeschwindigkeitskugeln jaulend von einer Laminatpanzerung abprallten. Der Sirenenton brach ab. Mmmmaaaah. Mmmoiii. Zwölf tippte weiter, während die Laute aus seinem Kopf entsprangen.
    »Ich versuche, einen Eindruck von der Flexibilität meines Sprechorgans zu vermitteln.« Zoou. Zohhh. »Obwohl ich nicht vollständig darauf vertraue, daß es mir gelingt, sämtliche Melange-Sprechlaute zu imitieren, glaube ich, daß wir uns um brauchbare Annäherungen an jene Laute bemühen können, die ich nicht erzeugen kann.« Ein tieferes Trommeln setzte ein, eher Kesselpauken als Snaredrums, wobei die Tonhöhe schwankte. Darunter erhob sich ein Grollen wie eine anschwellende Rückkopplung.
    Dai. Diiii.
    Die Vorführung bezauberte Maria. Sie lauschte, bis Zwölf seine Demonstration beendete. »Eure Sprache ist zweifellos flexibel«, sagte sie. »Aber um so zu sprechen wie wir, müßtest du Hunderte von Stunden damit verbringen, unsere Aussprache von Melange zu erlernen.« »Diese Zeit würde ich gern aufbringen.« »Wir sind jeden Tag nur ein paar Stunden zusammen. Das würde Monate dauern.«
    Marias bewußte Wahrnehmung begann sich wieder auf ihren Körper zu richten. Das Jucken in ihrer Kniekehle konzentrierte sich zunehmend auf eine bestimmte Stelle und wurde immer stärker. Sie bückte sich, um sich dort zu kratzen – in einer Umgebung wie dieser, wo Normaldruck herrschte, konnte man sich im Raumanzug viel leichter bewegen als im Vakuum, wenn der Anzug aufgebläht war –,. und schaffte es mit knapper Not, ihre Finger tief in das glatte, nichtporöse Anzugmaterial zu treiben und die Stelle zu erreichen, die sie derart marterte. Glückseligkeit explodierte unter ihren Fingernägeln. In ihrer Konzentration auf dieses Unternehmen wären Maria Zwölfs nächste Worte beinahe entgangen.
    »Ich möchte um Erlaubnis bitten, mich zum Zweck des Sprachunterrichts auf die Runaway begeben und euch auf eurem nächsten Flug begleiten zu dürfen.« Maria richtete sich überrascht auf. Zwölf hing in seinem blauen Himmel und beobachtete sie mit drei Augen. »Das – das muß ich erst mit Schiffsführer Ubu besprechen«, stotterte sie.
    »Ich verstehe.«
    »Ich werde bald eine Antwort bringen.«
    »Einverstanden.«
    Das Jucken kehrte mit doppelter Heftigkeit zurück. Maria trat der Schweiß auf die Stirn. Sie beschloß, daß es an der Zeit war, dieses Treffen zu beenden.

    Ubu machte Ferenc Vindaloo zum Abendessen. Als Maria geduscht und sich mit Talkum eingenebelt hatte und mit ihrem Essen in den Salon gekommen war, hatte Ubu die Aufzeichnung bis zum Ende abgespielt.
    »Er will mit uns kommen.« Der Gedanke schien Ubu zu amüsieren. »Was meinst du, ob er im Null-ge-Habitat auf Infix wohl auffallen wird?«
    »Wir müßten ihn versteckt halten.« Sie ließ sich in einen Sessel sinken und stellte ihren Ballon mit Allsaft auf die Armlehne.
    Ubu warf ein Paar Arme in die Luft. »Wo denn? Ich wette, daß es auf dem Schiff nur so von Polizei und Marine wimmeln wird.«
    »Sperr ihn in einen Schrank. Sag ihm, er soll sich nicht rühren. Wir können allen sagen, daß er ein Special-effects-Roboter aus einem

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