Engelstraum: Schatten der Ewigkeit: Roman (German Edition)
…
»Also ich musste versprechen, dass ich dir nichts tue, aber kaum bist du wach, gehst du mir an die Gurgel?«
Sie erstarrte, blickte auf und sah, wie sich seine Lider langsam hoben. Er drehte den Kopf ein wenig und blickte ihr in die Augen. »Das ist nicht besonders fair, Süße.«
Vergeblich bemühte sie sich zu schlucken. »Du verstehst das nicht.« Ein Mensch würde sich so fühlen wie sie jetzt, wenn er eine Woche lang nichts zu essen bekommen hatte. Der Hunger beherrschte alles.
»Ich verstehe mehr, als du ahnst.«
Nein, tat er nicht. Sie rückte weg von ihm, wobei sie das Laken vor ihre Brust gepresst hielt.
Blitzschnell packte er ihren Unterarm. Wieder erstarrte sie.
»Wo willst du hin?«, fragte er. Allerdings war sein Klammergriff keineswegs grob. Sein Daumen streichelte sie sogar, als würde er es genießen, ihre Haut zu berühren. Wie seltsam.
Und wie verführerisch.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Wenn ich nichts von dir nehmen kann, muss ich jemand anderen finden.«
Nun packte er sie fester. »Willst du noch einen Menschen verführen?«
Sie drehte sich zu ihm um. »Wäre es dir lieber, wenn ich ihnen die Kehle aufreiße?«
»Mir wäre es lieber, wenn du gar nichts mit ihnen zu tun hättest. Menschen sind gefährlich.«
Sie lachte. »Von allen Monstern da draußen fürchte ich mich vor ihnen am wenigsten.«
»Dann bist du dumm.« Er ließ sie nicht los.
Und wie toll, dass er sie dumm nannte! Äußerst schmeichelhaft.
»Menschen haben dich letzte Nacht gejagt«, sagte er. »Sowie Menschen begreifen, was du bist, wollen sie deinen Tod.«
»Jeder will meinen Tod.« Was glaubte er denn, warum sie seit Monaten auf der Flucht war? »Ich renne vor Gestaltwandlern, Dämonen und Jägern wie dir weg, seit ich eine von den Untoten wurde.« Und sie war es gründlich leid.
Würden sie doch bloß alle in Ruhe lassen!
Aber seit sie als Vampir aufwachte, schien sie eine Art Zielscheibe auf dem Rücken zu tragen. Dauernd hatte irgendwer es auf sie abgesehen. Bevor sie New Orleans verließ, war eine Gruppe von Dämonen in ihr Haus eingebrochen. Schreiend und kämpfend wollten sie Nicole zwingen, mit ihnen zu fliehen.
Sie hatten nicht mit ihren Vampirkräften gerechnet. Sie übrigens auch nicht. Aber als sie einem Dämon fast den Arm abriss, ließen die anderen endlich von ihr ab.
»Wie lange bist du schon ein Vampir?«
Da war kein Knurren. Es war nur eine Frage, während er weiter mit dem Daumen ihr Handgelenk streichelte.
Ihre Brüste spannten sich. »Circa sechs Monate.« Sie benetzte sich die Lippen, denn ihr Durst war unerträglich. Das Laken an seiner Hüfte war tiefer gerutscht, doch sie würde nicht hinsehen. Nun ja, jedenfalls nicht schon wieder. »Ich war eine völlig durchschnittliche fast dreißigjährige Frau, ging in der Sonne spazieren, aß Schokoladenkuchen und trank nach der Arbeit Margaritas, und dann …«
Sie zuckte mit den Schultern, gab sich betont gelassen, weil sie alles andere als das war.
»Dann eines Nachts wurde ich zu etwas anderem.« Sie wollte nicht über jene Nacht reden. Der Jäger würde so oder so kein Mitleid zeigen und ihr anbieten, sie gehen zu lassen. Jäger kannten kein Mitgefühl.
»Ein Vampir hat dich gebissen.«
Sie verdrehte die Augen. »Tja, schon, so läuft es normalerweise ab. Er hat gebissen, ich habe mich gewehrt, und …«
»Du musstest sein Blut trinken, um dich zu verwandeln.«
Sie rammte die Glasscherbe in seinen Hals. Blut spritzte aus der Wunde auf ihre Hände, ihr Gesicht, ihre Bluse. Nicole räusperte sich. »Das habe ich wohl.« Sie krallte die Hände fester in das Laken. »Seins, nicht das von dem anderen Mistkerl.«
»Dem anderen?«
»Es waren zwei dort, einer, der mich angegriffen hat, und einer, der nur zuguckte.« Egal wie sehr sie flehte, er hatte ihr nicht geholfen. »Als ich mich wehrte, konnte der andere gar nicht schnell genug wegkommen. Er rannte weg, aber eines Tages werde ich ihn finden.«
»Wirst du?«
Sie nickte energisch. »Oh ja, und ob! Und er wird für das bezahlen, was er getan hat.« Nein, für das, was er nicht getan hatte.
Hilf mir.
Keenan drehte seine Hand, sodass seine Pulsschlagader zu ihr wies. »Nimm das Blut.«
Nicole blinzelte. »Warum?«
»Du darfst nicht jagen. Diese Menschen könnten uns gefolgt sein, und wenn du auf die Jagd gehst, finden sie dich.« Er verstummte kurz, ehe er hinzufügte: »Und wenn du nicht trinkst, sind wir zu langsam.«
»Wir? Nein, das gewiss nicht, denn es
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