Engelstraum: Schatten der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Seine Flügel raschelten auf dem Asphalt. »Ich wollte nicht, dass du kommst und sie tot auffindest. Was sollte mir das nützen?«
Keenans Magen krampfte sich zusammen. »Was willst du, Az?«
»Sie ist mir gleich, nur ein Auftrag von Tausenden, Millionen. Sie alle sterben, genau wie sie.«
Auf einmal hörte Keenan Nicoles stummen Aufschrei.
Wieso sollte sie einen stummen Schrei ausstoßen?
»Engel sollten nicht fallen«, fuhr Az schneller fort. »Engel sollten nicht brennen, nicht leiden.« Er war einen Schritt näher gekommen. »Wir sind besser als Menschen, stärker und so viel mächtiger.«
Aber die Engel waren nicht bevorzugt. Nein, die Menschen waren diejenigen, denen Gaben geschenkt wurden, die Hoffnung und Lieben kennen durften.
»Engel sollten nicht fallen«, wiederholte Az.
»Ich bin es.« Und vielen Dank für die Info vorweg, Az. Dieser ganze »Ich habe gehört, das Feuer ist das Schlimmste, entlockt einem die lautesten Schreie«-Mist war nicht unbedingt hilfreich.
»Du bist gefallen und kannst wieder auferstehen.«
Wie bitte? Er hatte noch nie gehört, dass Engel zurückkamen, nicht nachdem sie gefallen waren.
»Es ist ganz einfach, Keenan. Ich weiß, dass sie deine Versuchung ist. Wir alle haben unsere Prüfungen. Beweise, dass du stärker bist. Beende den Auftrag, tu, was von dir erwartet wird.«
Sie umbringen. Nein, das sprach er nicht aus, denn Nicole war zu nahe.
»Bring sie um und komm nach Hause.« Az hatte kein Problem damit, die Worte auszusprechen.
Keenan streckte sich. »Nein.«
»Wenn du es nicht tust, tut es ein anderer.«
Er wusste, dass es keine leere Drohung war. »Wer? Bist du es? Bist du hier, um ihre Seele zu holen?«
Az blickte ihn nur stumm an.
»Ich will nicht sterben.« Auf Nicoles Worte hin drehte Keenan sich zu ihr.
Sie stand vor dem Truck, umrahmt von den Scheinwerfern, und sie blickte nicht ihn sondern Az an.
Konnte sie ihn sehen?
Dann bewegte sich Az ein wenig nach links, doch Nicoles Blick folgte ihm nicht. Also konnte sie ihn nicht sehen.
»Keiner will jemals sterben«, sagte Az.
Jetzt wanderte ihr Blick nach links – zu dem Engel, der ihren Tod wollte.
»Das ist das Problem«, erklärte Az. »Nur zählt nicht, was du willst, Vampir. Du wirst binnen zehn Tagen sterben, die Frage ist nur, durch wessen Berührung.«
Nicht durch meine! Keenan stürzte sich auf Az.
Doch mit einem einzigen Flügelschlagen war der Engel fort. Die Scheinwerfer leuchteten in leere Dunkelheit.
»Keenan?«
Er drehte sich wieder zu ihr, blitzschnell diesmal, weil er fürchtete, Az könnte ihn überlistet und sich ihr unbemerkt genähert haben. Sie durfte nie wieder so schutzlos sein; dafür musste er sorgen.
Aber sie stand ganz allein vor dem Truck und wirkte in diesem Moment unsagbar klein und verletzlich.
Dann blitzte eine Reißzahnspitze auf.
Ganz so hilflos war sie vielleicht doch nicht.
Er eilte zu ihr. Sie sah ihn mit großen dunklen Augen an.
»Willst du mich töten?«, fragte sie im gleichen ruhigen Tonfall, in dem eine andere Frau gefragt hätte, ob er sie küssen wollte.
Er packte ihre Arme und zog sie an sich.
»Willst du?«, flüsterte sie.
Statt zu antworten, küsste er sie leidenschaftlich. Ihm war egal, dass Az’ Duft noch in der Luft lag. Sollte der Engel doch zusehen. Er durfte gern sehen, wem Keenans Treue galt.
Sie würde nicht durch seine Hände sterben.
Und jeder Engel, der ihr nahe kam, würde erleben, dass sein Zorn zehnmal heißer brannte als die Hölle.
Er war nicht gefallen, um sie zu verlieren.
Er war gefallen, um für sie zu kämpfen.
Zehn Tage.
Nein.
Es war an der Zeit, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen.
Die Stimmen wurden lauter. Das Wispern in Elijahs Kopf war zu verlockenden Rufen angeschwollen, die ihn in Versuchung führten.
Mach, dass sie es nicht sehen.
Elijah war sicher, dass die Menschen durch seine Maske hindurchsahen. Sie erkannten das Monster dahinter, und sie verhöhnten es.
Knurrend drängte er sich durch die Menge an der Bar.
Sie konnten ihn sehen.
In seinen Schläfen hämmerte es, sein Herz raste, und immer noch lockte ihn diese Stimme in seinem Kopf.
Er brauchte Drogen, denn nur sie konnten die Stimme dämpfen, sodass er wieder Luft bekam und jagen konnte, wie er wollte: jagen und töten, ohne gesehen zu werden.
Er stieß die Tür auf, und die heiße Nachtluft schlug ihm ins Gesicht. Nachdem er mehrmals Luft geholt hatte, torkelte er weg. Sein Körper zitterte, und jeder Schritt schmerzte.
Diese
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